Rebenleben
Die "Geierschelle" vom Nieder-Olmer Klosterberg
Das Jahr aus der Sicht einer Weinrebe
Hallo, darf ich mich vorstellen: Mein Name ist "Geierschelle". Ich bin ein Grauburgunder-Weinstock und somit eine von rund 50.000 Weinreben des Nieder-Olmer Weingutes "Bischofsmühle". Ein Jahr lang werde ich mich im Abstand von zwei Wochen melden und berichten was ich so erlebe. Dazu informiere ich Euch darüber was mein Chef, der Winzermeister Max Zimmermann im Weingut arbeitet. Zuhause bin ich in einem Weinberg auf dem Nieder-Olmer Klosterberg unterhalb der Gutsschänke Horn, genau genommen in der Einzellage "Ober der Geierschell", mit einem herrlichen Blick über das Städtchen Nieder-Olm. Dort wurde ich im April 2014 von meinem Winzer gepflanzt und werde seitdem von ihm und seinen Mitarbeitern bestens betreut.
20. Dezember 2021
Puh,da bin ich aber erschrocken. Ich habe gar nicht mehr damit gerechnet, dass ich den Max in diesem Jahr nochmal sehe. Nein, nicht auf dem Traktor, sondern höchstpersönlich mit seiner Rebenschere bewaffnet, ist der am letzten Samstag bei mir im Weinberg aufgekreuzt und hat mir einen schönen Schnitt verpasst. Offenbar hat er mit seinem Rebschnitt in diesem Winter bei uns Grauburgunders begonnen. Im letzten Winter waren wir ja erst Ende Januar dran. Aber, ich hatte Euch ja schon berichtet, dass meine Holzreife schon prima fortgeschritten war und irgendwo muss er ja loslegen. Bis zum Beginn der Vegetation im nächsten Frühjahr muss mein Winzer jeden einzelnen meiner rund 50.000 Rebstock-Kollegen besucht und zurückgeschnitten haben. Das ist schon mächtig Arbeit.
Das war´s jetzt aber für dieses Jahr. Den Max sehe ich in den nächsten drei Monaten sicher nicht mehr hier oben. Erst wieder im März, wenn er seinen Rebschnitt beendet hat und sich den Drahtrahmen seiner Weinberge widmet. Dann werden die Drähte neu gespannt und so mancher Weinbergspfahl ausgetauscht, der bei den vielen Arbeiten im Jahr Schaden genommen hat.
Bevor die Winzerfamilie Zimmermann ab nächste Woche Weihnachten feiert, steht aber noch die große Weihnachtsparty am Donnerstag, dem 23. Dezember auf dem Programm. Dann könnt ihr alle nochmal mächtig abfeiern. "Pasi der Pogo" rockt die
Bischofsmühle. Glühwein, Bratwurst und heiße Suppe vertreiben Durst und Hunger. Alles natürlich unter den geltenden Pandemie-bedingungen. Und gleich danach wird´s still. Heiligabend, Weihnachten und die ruhige Zeit "zwischen den Jahren". Zeit zum Durchatmen, bevor ein neues Jahr anbricht.
So, liebe Freunde, dass war`s nun mit meinen Meldungen aus dem "Rebenleben". Ein ganzes Jahr lang durfte ich Euch berichten, was sich so bei mir im Weinberg oder bei Anna und Max im Weingut und im Keller tut. Es wäre schön, wenn Ihr gelegentlich mal an mich denkt. Zum Beispiel bei einem Spaziergang in den Weinbergen am Klosterberg, oder wenn Ihr mal wieder eine Flasche Wein aus der Bischofsmühle öffnet. Wenn Ihr meine Beiträge im fast abgelaufenen Jahr verfolgt habt, wisst ihr ja, welche Arbeit und Leidenschaft in solch einer Flasche Wein steckt. Wie viele Stoßgebete mein Winzer im Laufe des Jahres zum Himmel schickt, wenn sich mal wieder ein bedrohliches Gewitter zusammenbraut.
Und wie geht es mit mir weiter? Das ist ähnlich wie bei Euch Menschen. Ich hoffe, dass ich gesund bleibe und meinem Winzer in den nächsten zwanzig Jahren noch viel Freude bringe. So rührend wie sich der Max bislang um mich und meine Rebenfamilie gekümmert hat, bin ich da sehr optimistisch. Irgendwann aber, wird auch mein Wingert gerodet und ich werde mitsamt meinen Wurzeln verbrannt. Dann werden neue, junge Reben gepflanzt, die dann hoffentlich auch ein schönes Rebenleben im Weinberg verbringen dürfen. An denen gesunde Trauben wachsen aus denen der Max tolle Bischofsmühlen-Weine keltern kann.So dreht es sich unaufhaltsam immer weiter, das Rad der Zeit...
Es grüßt Euch (letztmals)
Eure "Geierschelle" vom Klosterberg
6. Dezember 2021
Ho, Ho, ho, heute ist Nikolaustag! Es wird Winter bei uns hier oben. Der Sturm in dieser Woche hat auch meine letzten dürren Blätter weggeweht. Die ersten Frost-Nächte habe ich schon hinter mir und wenn ich von meinem Klosterberg so an den Horizont schaue, sehe ich auch bereits im Taunus den ersten Schnee. Die Arbeit meines Winzers hat sich schon seit einigen Wochen vom Außenbetrieb in das Weingut verlagert. Auch im Keller ist es bereits wieder still, die Gärspunde blubbern nicht mehr. Ein klares Zeichen dafür, dass die Weine ihre alkoholische Gärung beendet haben.
Auch der "BSA" ist jetzt durch. Der "biologische Säureabbau". Der folgt nach der eigentlichen, alkoholischen Gärung. Diese "zweite Gärung" hat sich früher quasi selbst in Gang gesetzt. Im Frühjahr nach der Ernte, wenn die Temperaturen im Keller nach oben gingen, war plötzlich wieder Leben im Wein Tank. Wilde Bakterien haben die im Wein vorhandene Äpfelsäure in Milchsäure umgewandelt, oftmals mit einem ungewünschten Ergebnis...
Heutzutage beimpft der Winzer schon gleich nach Abschluss der alkoholischen Gärung seine Weine mit "sauberen" Bakterien, die den Auftrag haben, die aggressive Äpfelsäure in harmonische Milchsäure umzuwandeln. Das war dann der letzte Schritt im natürlichen Prozess der Weinbereitung.
Der Max hat seine Fassweine in den letzten Tagen "ab geschwefelt" und damit auf natürliche Weise haltbar gemacht. Schwefel braucht der Wein um eine Oxidation vorzubeugen. Sieht der Wein keinen Schwefel, dann wird er oxidativ, bekommt eine leicht bräunliche Farbe und schmeckt als läge irgendwo seit Tagen ein zermatschter Apfel rum. Das mögt ihr Menschen aber nicht. Ihr steht auf frische, fruchtige Weine, die reduktiv ausgebaut wurden. Trotzdem ist auch beim Einsatz von Schwefel Vorsicht geboten, auch wenn es sich um einen völlig natürlichen und ungefährlichen Stoff handelt. Würde der Winzer zu viel davon einsetzen, dann hättet Ihr Menschen nach dem Genuss unseres herrlichen Getränkes am nächsten Morgen kräftige Kopfschmerzen. Damit das nicht passiert, gibt es natürlich auch hierzu klare Grenzen im Weingesetz.
Im Weingut selbst nutzt der Max diese Wochen um viele Arbeiten anzugehen, die unterjährig zurückstehen müssen. So hat er zum Beispiel seinen Traubenvollernter zerlegt, der nach rund fünfwöchigem Dauerbetrieb ein paar Streicheleinheiten braucht. Neues Becherwerk, neue Transportbänder und ein Ölwechsel tun auch einer Maschine mal gut. Die Traktoren werden von Grund auf gereinigt, bekommen neue Filter und werden auf Winterdiesel umgestellt.
Und auch an den Betriebsgebäuden ist immer was zu tun. Da müssen mal Wände gestrichen, Sockel für Weintanks betoniert oder Holztore erneuert werden. Schnell werden dann für ein paar Wintertage aus dem jungen Winzermeister ein Maler, Betonbauer oder Schreiner. Wenn es dann mal ganz schlechtes Wetter gibt, aber nur dann, trifft man den Max mal im Büro an, wo natürlich Anna ganzjährig das Sagen hat.
Ja, so ein Winzer. der muss schon vielseitig einsetzbar sein. Gerade das, so sagt er, macht den Beruf so unglaublich interessant...
Da habe ich es doch etwas einfacher...
Eure (relaxte) Geierschelle vom Nieder-Olmer Klosterberg
22. November 2021
Hallo zusammen. Sorry, ich muss gerade mal gähnen. So langsam geht es bei mir in Richtung Winterschlaf. Tote Hose, bei uns am Klosterberg. Selten, dass ich überhaupt mal einen Traktor sehe, geschweige denn arbeitende Menschen im Weinberg, oder Fußgänger. Dabei haben wir hier oben immer frische Luft. Also, absolut keine Ansteckungsgefahr mit Eurem blöden Virus. Vielleicht mal etwas schmutzige Schuhe auf den Feldwegen. Also ich würde mich freuen, wenn Ihr Menschen die Weinberge auch mal im Winter besuchen würdet. Die sind nämlich auch in der kalten und tristen Jahreszeit einzigartig und wunderschön, selbst im Lockdown.
Der Max hat an seinen Weinbergen kleine Hinweistafeln mit den Namen der gepflanzten Rebsorten angebracht. Wer Glück hat, entdeckt dort den Weinberg in dem sein Lieblingswein aus der Bischofsmühle gewachsen ist.
Beim Thema Gesundheit ist auch bei uns Weinreben leider nicht alles Gold was glänzt. Auch wir haben Krankheiten und Infektionen, die wie auch bei Euch Menschen, behandelt werden müssen, da wir sonst sterben. In diesem Jahr, mit den häufigen Niederschlägen, haben uns die Pilzkrankheiten stark zugesetzt. Zum Teil konnten ganze Weinberge nicht geerntet werden, wenn der Winzer zu spät oder unzureichend seinen Pflanzenschutz ausgebracht hat. Glücklicherweise betrifft dies nur die aktuelle Ernte und nicht die Rebe selbst. Zwar versuchen die Pilzsporen in der Rebenrinde zu überwintern um im nächsten Jahr wieder ihr Unwesen zu treiben, aber in den Rebstock selbst gelangen die nicht. Wenn der Winzer dann mit dem Austrieb im nächsten Frühjahr seinen Pflanzenschutz wieder im Griff hat, kann er wieder auf eine normale Traubenernte hoffen. Zum Glück hatte sich der Max in diesem Jahr wieder rührend um mich und meine Mit-Reben gekümmert, so dass wir von diesen Problemen verschont blieben.
Viel schlimmer ist eine relativ neue Krankheit. "ESCA" heißt das Phänomen, was seit einigen Jahren in den Weinbergen auftritt. Das ist so wie bei Euch Menschen der Schlaganfall. Ganz plötzlich bildet sich in den Versorgungsbahnen der Rebe ein Pfropf der die lebenswichtige Versorgung der Pflanzen mit Wasser und Mineralien abschneidet. Meist kurz vor der Ernte, wenn die Früchte fast reif sind. Von einem auf den anderen Tag sterben Trauben und Blätter ab. Dann muss die betroffene Rebe schnellstens entfernt und verbrannt werden. Der Winzer pflanzt dann eine Jungrebe nach, die jedoch Jahre braucht, bis sie einen Wurzelstock gebildet hat und Früchte tragen kann.
Der Max, mein "Reben-Doktor" hat eine eigene Methode im Umgang mit dieser gefährlichen Krankheit. Der haut die Rebe nicht so einfach raus, sondern er versucht die zu erhalten. Da bei den mit "ESCA" befallenen Rebstöcken das gesamte Wurzelwerk ja noch intakt ist und die Blockade in dem sichtbaren, oberirdischen Teil stattfindet, "coupiert" er den Rebstock kurz oberhalb der Erde. Dort wo noch ein fruchtbarer Ansatz für das nächste Jahr ist. Dadurch bleibt das über Jahre und Jahrzehnte gewachsene Wurzelwerk erhalten und die ganze Power beim Austrieb im nächsten Frühling geht in den einen Trieb, den der Max natürlich hegen und pflegen muss. Bricht der nämlich ab, dann war´s das für den Weinstock.
Im Weingut selbst, geht´s derzeit rund. Die Bischofsmühlen-Chefin Anna Sophie und Schwiegermutter Maria richten den Hof dekorativ-weihnachtlich her und packen fleißig Weinpakete. Seit Beginn der Pandemie hat sich der Online-Weinverkauf stark erhöht und gerade in der Vorweihnachtszeit nutzen viele Kunden die Möglichkeit Weinpakete in alle Ecken der Republik versenden zu lassen. Wer aber weiterhin im Weingut seinen Wein einkauft hat natürlich den großen Vorteil die Weine auch probieren zu dürfen.
Während also dort unten in der Bischofsmühle der "Weihnachtsstress" beginnt, habe ich meinen Job für dieses Jahr erledigt und kann entspannt die letzten Wochen des Jahres genießen.
Eure "Geierschelle" vom Nieder-Olmer Klosterberg
8. November 2021
Schön schaurig hier oben bei uns am Weinberg. Besonders morgens, wenn es noch neblig ist und sich die Wassertropfen in den Spinnweben-Netzen sammeln.
Und ruhig ist es. Kaum mal ein Traktor, der unterwegs ist. Da hört man mal wieder richtig hin, welche Geräusche die Tierwelt so erzeugt. Ab und zu kommt mal das Rudel Rehe vorbei, welches wohl im angrenzenden Loh-Wäldchen zuhause ist. Die knabbern dann an den restlich-verbliebenen Trauben, die bei der Lese vom Vollernter nicht erfasst wurden. Auch die Raben-Krähen schätzen die süßen Beeren. Für ständiges Rascheln im abgefallenen Laub sorgen die Feldmäuse die munter unterwegs sind und ihre Löcher buddeln. Auf die sind mein Winzer und ich gar nicht gut zu sprechen, denn die quirligen Nager knabbern unter dem Boden meine feinen Wurzeln an. Deshalb freue ich mich auf viel Regen in den nächsten Wochen. Der läuft dann hoffentlich in die Laufgänge und Nester der Mäuse und sorgt dafür, dass die fruchtbaren Pelzträger es nicht ganz so gemütlich haben und sich hemmungslos ihrer Familienplanung widmen.
Dieser Tage war der Max trotzdem nochmal hier. Hat Kompost gestreut. Das macht der immer im Frühjahr und im Herbst, kurz bevor Regen angekündigt ist. Bei der Düngung setzt mein Winzer -so weit es geht- auf Humusbildung, mit der er meinen Stickstoff- und Nitratbedarf recht gut abdecken kann. Die zweite Säule meiner Nähstoffversorgung sind Phosphate. Auch die sind im Kompost enthalten. Aber leider nicht genau in dem Verhältnis, wie es meine Rebwurzeln und die Bodenbegrünung in meinem Weinberg brauchen. Phosphate sind nämlich in den allermeisten Weinbergen und landwirtschaftlichen Flächen genügend vorhanden, weil ich davon nur recht wenig benötige. Das ist aber erst seit wenigen Jahren bekannt. Seitdem die Winzer und Landwirte konsequent ihre Böden bei entsprechenden Laboren untersuchen lassen. Aus jedem Weinberg, aus jedem Acker werden im Frühjahr solche Proben entnommen. Zwei Tage später bekommt der Winzer sein Ergebnis, welche Stoffe im Boden ausreichen oder womöglich zu viel enthalten sind und welche Mineralien und Spurenelemente er mittels Kompost oder Dünger nachsteuern muss. Klar, solche Bodenproben sind teuer, Dünger aber auch. Und da mein Winzer nichts zu verschenken hat und natürlich an einem ökologischen Gleichgewicht seiner Weinberge interessiert ist, steuert er seine Düngung entsprechend.
Ganz wichtig sind dabei die Nitratwerte. Den Stoff brauche ich dringend, ich stelle damit Eiweiße her, die ich zum Überleben brauche. Aber wenn ich mit meinen grünen Pflanzenfreunden im Weinberg das eingebrachte Nitrat nicht komplett verarbeiten könnte, dann würde der Regen das überschüssige Nitrat in die unteren Bodenschichten auswaschen und irgendwann würde es im Trinkwasser landen. Glücklicherweise ist das in unseren Breiten kein großes Thema, da Gülle bei uns keine Rolle spielt.
Jede Kompost- oder Düngergabe muss mein Winzer in ein Dünge-Buch eintragen. Dazu ist er gesetzlich verpflichtet. Diese Informationen muss er mindestens sieben Jahre aufbewahren. Zur ordentlichen Führung dieses Dünge-Buches braucht er einen Sachkundenachweis, zu dem er in regelmäßigen Abständen die Schulbank drücken muss.
Ansonsten findet Ihr Max und auch Anna, nach wie vor, im Keller, wo die beiden -penibel genau- die Gärungsverläufe der Weine überwachen. An jedem Tank hängt ein Gärungsprotokoll auf dem das Tempo dokumentiert ist, in dem die Hefen den Zucker in Alkohol und Kohlendioxid umwandeln. Heutzutage ist der Aufenthalt im „Weinkeller“ -Gott sei Dank- ja nicht mehr so gefährlich, da sich die „Gärkeller“ der meisten Weingütern und Kellereien „par terre“ befinden statt wie früher, als der „Weinkeller“ tatsächlich unter der Erde untergebracht war. Das war super gefährlich, weil das bei der Gärung entstehende Kohlendioxid schwer als Luft ist und sich am Boden gesammelt hat. Gab es keinen Luftaustausch, hatte das geruchlose Gas schnell den lebensnotwendigen Sauerstoff verdrängt und dann wurde es für den Winzer lebensgefährlich. So mancher Winzer, dem der Trick mit der brennenden Kerze oder dem Dackel im Keller zu umständlich war, hat das -noch vor wenigen Jahrzehnten- mit dem Leben bezahlt. Heutzutage gibt es -für die wenigen Tiefkeller- glücklicherweise technische Geräte, die akustische Signale senden, wenn die CO²-Konzentration zu hoch wird.
Ach, übrigens, hat der Max auch seinen Glühwein für die Wintersaison fertiggestellt. Den gibt´s dann nicht nur dienstags auf dem Wochenmarkt, sondern auch -in Flaschen abgefüllt- für zuhause. Aber aufgepasst: bei der Zubereitung darf der nicht „glühen“. „Erhitzen, nicht kochen“, nur so entfaltet der kräftige Rotwein mit den vorweihnachtlichen Gewürzen seinen unnachahmlichen Geschmack und wärmt dabei zusätzlich Körper und Geist in dieser tristen Jahreszeit.
Dann mal Prösterchen!
Eure "Geierschelle" vom Nieder-Olmer Klosterberg
25. Oktober 2021
Ja, Leute, es wird ruhig bei uns oben am Nieder-Olmer Klosterberg. Die Weinberge sind nun alle abgeerntet, die Starenschreck-Apparate abgebaut und auch der Wingerts-Schütz hat seine Arbeit beendet. Letzten Donnerstag hat der erste kräftige Herbst-Sturm bereits einen großen Teil meiner Blätter mitgenommen und in alle Himmelsrichtungen geweht. Schon direkt nach der Ernte habe ich die Versorgung meiner Blätter eingestellt. Die habe ich ja hauptsächlich für die Fotosynthese benötigt, damit meine Trauben wachsen und reifen konnten. Die Blätter wurden dann schnell rötlich-braun und sind abgestorben. Da hatte der Wind leichtes Spiel. Als Weinrebe habe ich jetzt meine Schuldigkeit für dieses Jahr getan. Bevor die ersten Fröste kommen, geht es noch darum, dass die in diesem Jahr gewachsenen Jungreben gut ausreifen, damit der Max beim Rebschnitt im kommenden Winter kräftige Ruten zum Anschnitt zur Verfügung hat. Das ist dann schon die Qualitäts-Basis für den Herbst 2022. Ansonsten beginnt jetzt meine Ruhephase in der ich Kraft sammeln kann für die nächste Vegetationsperiode die im Frühjahr beginnt. Wasser, Mineralien, Spurenelemente, das habe ich ja alles bis zur letzten Minute an meine Träubchen abgegeben, so sind Mamas nun mal! Jetzt bin ich aber mal dran und kümmere mich mal nur um mich selbst.
Nun ist auch die Zeit mal nachzudenken, was denn aus meinen Träubchen geworden ist, die der Max Anfang Oktober geerntet hat? Aus denen wurde der Most gepresst, der zwischenzeitlich vergoren ist. In wenigen Tagen wird der „abgestochen“. Nein, nein, das ist nicht so schlimm wie sich das anhört. Unter dem „Abstich“ versteht man die Trennung von Wein und Trubstoffen, die überwiegend aus den abgestorbenen Weinhefen bestehen. Finden die Hefezellen keine Zuckermoleküle mehr im gärenden Most, sterben die ab und sinken zu Boden. Mein Winzer pumpt nun den noch leicht hefetrüben Jungwein ab und achtet darauf, dass der Hefetrub im Tank verbleibt. Dieser Trub ist als solcher nicht mehr zu verwenden, es sei denn, der Stoff geht zu einem Schnapsbrenner und wird zu feinem Weinhefebrand destilliert. Und was macht mein Winzer Max jetzt so nach der Ernte? Ausruhen von der anstrengenden Weinlese? Von wegen. Der ist beinahe rund um die Uhr im Keller und kontrolliert die laufende Gärung seiner Weine. Zieht Proben, lässt die im Labor analysieren und steuert mit Heizung oder Kühlung die Gärtemperaturen. Ist das getan, ist der auch schon mal wieder im Weinberg anzutreffen. Gestern zum Beispiel in seinem Rivaner-Weinberg am Höhenweg auf dem Goldberg. Der wird nämlich gerodet. Die Rebruten und der gesamte Rebstock werden abgeschnitten. Dann werden die Weinbergspfähle aus dem Boden gezogen und der komplette Drahtrahmen wird entfernt. Ist das alles weggeräumt, kommt eine Spatenmaschine und arbeitet das ganze Feld tief um, so dass auch die tiefen Wurzeln der Rebstöcke entfernt werden können. Die Reben, die für die Neuanlage im nächsten Frühjahr benötigt werden, hat der Max schon im letzten Jahr bei seinem Rebveredler bestellt. In dessen „Rebschule“ wachsen die Pfropfreben heran, bevor sie im Frühjahr dort „ausgeschult“ und auf dem Goldberg eingepflanzt werden.
Übrigens, habe ich gestern erfahren, dass meine Träubchen aus der Ernte 2020, also aus dem letzten Jahr, gerade eine tolle „Karriere“ machen. Der daraus entstandene Wein „Grauburgunder Ortswein“, den mein Winzer im März auf Flaschen gefüllt hatte, hat beim weltgrößten Weinwettbewerb, der Berliner Wein-Trophy“ eine Goldmedaille gewonnen. Rund 180 Weinfachleute hatten vorletzte Woche in der Hauptstadt mehr als 6.000 Weine getestet und einen Teil davon mit Medaillen ausgezeichnet. Das freut mich als „Mama“ natürlich sehr und macht mich mega-stolz.
Bis bald!
Eure (stolze) "Geierschelle" vom Nieder-Olmer Klosterberg
11. Oktober 2021
So, jetzt hat´s auch mich erwischt. Ging ganz schnell und schmerzlos. Anfang letzter Woche war es soweit. Mein Winzer Max kam am frühen Morgen, bei 7° C Lufttemperatur mit "Godzilla" zu meinem Weinberg und hat meine Grauburgunder-Trauben geerntet. Hat nach der Ernte ein zufriedenes Gesicht gemacht und mir einen "guten Job" in den letzten Monaten seit dem Auftrieb im Frühjahr bestätigt. Der Zuckergehalt mit rund 80 Grad Oechsle und der Säurewert von knapp 7 Promille Säure liegen beide genau in dem Korridor, in dem frische, leichte und trinkfreudige Weine erzeugt werden können. Kühle Lesetemperaturen liebt mein Winzer. So beginnt die Gärung langsam und auch die Dauer der Gärung wird deutlich verlängert. Während der Gärung bilden sich die Aromen im Wein, die ihr Menschen später am Wein so liebt. Je länger die Gärung, desto ausgeprägter die Aromen. Erntet der Winzer dagegen bei 20 - 25 ° Celsius dann beginnt die Gärung schon bald nach der Pressung, nimmt einen "stürmischen Verlauf" und auf der Strecke bleiben die Aromen.
Die natürlichen Alkoholgehalte der Weine aus Ernte 2021 werden bei fast allen Weinen deutlich unter den Werten der letzten drei Jahre liegen. Das liegt natürlich an den deutlich geringeren Sonnenstrahlen in diesem Sommer.
"Godzilla", so nennt er liebevoll sein rund 10 Tonnen schweres Arbeitsgerät mit dem Max von Mitte September bis Mitte Oktober die Trauben der Bischofsmühle und von befreundeten Winzerbetrieben aberntet. In vier Metern Höhe hat er in seiner Panoramakabine einen tollen Blick über unser schönes Rheinhessen. Mit 150 PS unter der Haube und einem Joystick dirigiert er das Erntegerät durch die hügeligen Weinberge. Bis zu 30% Steigung schafft die High-Tech-Maschine für deren Anschaffungspreis auch schon ein kleines Einfamilienhäuschen zu haben ist.
Im Schnitt benötigte der "Grapeliner", so die offizielle Bezeichnung des Erntegerätes, rund zweieinhalb Stunden für die Ernte eines 1 Hektar großen Weinbergs. 10 fleißige, zweibeinige Helfer würden für die gleiche Fläche rund 10 Stunden benötigen. Die Qualität, so erzählt mein Winzer, wird verbessert indem seine Helfer kurz vor der maschinellen Lese durch die Weinbergsreihen laufen und faule oder unreife Trauben abschneiden. Die Maschine klopft dann direkt im Anschluss sanft mit Glasfiberstäben die Beeren von den Stilgerüsten. Ein Gebläse entfernt Blätter und Rebstücke, so dass nur die Beeren in den rund 2.500 Liter fassenden Erntetank des Vollernters gelangen. "Vitiselect" nennt sich das Sortiersystem in der Fachsprache. Beim anschließenden Pressvorgang im Weingut bleiben dann unerwünschte Bestandteile außen vor. Von der Kelter läuft der Most und die Pressrückstände wie Beerenhäute und Kerne werden als Trester separiert und als Humus wieder dem Weinberg zugeführt.
Zwischenzeitlich blubbert der Rebensaft bereits im Tank. Die alkoholische Gärung hat eingesetzt. Ist die Ernte vorbei, hat mein Winzer keine Augen mehr für mich. Er interessiert sich nun ausschließlich für meine Produkt, was jetzt in flüssiger Form in seinen Fässern liegt. Schon traurig für mich. Aber zumindest kann ich den Weg meiner Trauben noch weiterverfolgen, wovon ich Euch natürlich weiter berichten werde.
Das können nicht alle Weinstöcke von sich behaupten. Nicht jeder Winzer keltert seine Trauben selbst und baut den Wein in seinem Keller aus. Insbesondere wenn teure Investitionen, wie zum Beispiel die Neuanschaffung einer Kelter ins Haus stehen, entscheiden sich Winzer dafür, die geernteten Trauben oder den abgepressten Traubenmost direkt an Großkellereien zu verkaufen. Die schicken Ihre LKW oder Tankzüge zu den Weingütern und holen dort Trauben oder Most ab. Die Vergärung findet dann bereits in der Kellerei statt. Dabei werden die Anlieferungen von vielen Winzer zusammengelegt. Es entstehen daraus Großgebinde, die in den Kellereien in Flaschen abgefüllt werden und in den Regalen von Supermärkten und Discountern verkauft werden.
Nun schauen wir mal, was sich in den nächsten Wochen so im Keller tut. Es bleibt spannend!
Bis bald!
Eure "Geierschelle" vom Nieder-Olmer Klosterberg
27. September 2021
Jetzt geht´s rund in unseren Weinbergen. Seit einer Woche ist die Weinlese in vollem Gange. Überall sind Vollernter und fleißige Helfer unterwegs um die Trauben zu ernten. Bei mir hat es noch etwas Zeit, meine Grauburgunder-Trauben gehören nicht gerade zu den frühreifen Früchten. Dabei bin ich letzte Woche schon erschrocken, als Maria mit zwei Erntehelfern -mit Traubenscheren bewaffnet- bei mir im Weinberg aufgetaucht ist. Die haben aber nur die Trauben von den Stöcken geschnitten, die von Vögeln angefressen wurden und bei denen anschließend die Fäulnis eingesetzt hat. Mein Winzer Max setzt auf absolut gesundes Lesegut. Wenn die faulen Trauben weg sind, halten die gesunden Beeren an meinem Weinstock länger durch und lagern mit der September-Sonne weiter Fruchtzucker ein.
Übrigens werden weiße und rote Trauben nach der Ernte völlig unterschiedlich bearbeitet. Bei den weißen ist das recht einfach. Die Trauben werden bei der Handlese von den Weinstöcken geschnitten und mit Hilfe einer Maschine von dem Stilgerüst und mitgeernteten Blättern "entrappt". Dieser Verarbeitungsschritt entfällt bei der Lese durch den Vollernter, der ja schon im Weinberg mit Hilfe von Glasfiberstangen die Beeren von den Rappen rüttelt. Wenn die Beeren dann vom Erntewagen auf die Kelter gepumpt werden, sind sie leicht an gequetscht, damit der Saft beim Pressen leichter abläuft. Nach dem Abpressen läuft der süße Most in die Auffangwanne und wird dann sofort in einen Tank gepumpt, damit der Most mit möglichst wenig Sauerstoff in Berührung kommt. "Reduktiver Ausbau" sagt mein Winzer dazu. So bleiben Frucht und Frische des Weines, die sich während der Gärung bilden, länger erhalten. Oxidative Töne im Wein, das war mal, das möchte kein Weintrinker mehr haben.
Schon wenige Tage nach dem Abpressen kommt die alkoholische Gärung in Gang. Dafür sorgen Hefen, die überall um uns herum herumschwirren. Die sitzen auch schon vor der Lese auf meinen Blättern und Trauben. Der Max traut diesen "wilden" Hefen aber nicht, denn die können auch ganz gerne mal unschöne Essigtöne in den neuen Wein bringen und der wäre dann verdorben. Er setzt da auf sogenannte Reinzuchthefen, die den klaren Auftrag haben, aus dem Fruchtzucker und den herrlichen Aromen und Mineralien im Most richtig gute Weine zu machen.
Je nach Witterung (je wärmer, desto schneller) entsteht nach wenigen Tagen ein einzigartiges Getränk, welches es nur weniger Tage im Jahr gibt. Der "Federweiße", angegorener Traubenmost. Den Namen hat er von seiner Farbe, die einer Feder ähnelt. Während der alkoholischen Gärung verarbeiten die Hefen den vorhandenen Fruchtzucker in Wein. Die fressen quasi den Zucker und wandeln ihn in Alkohol und Kohlendioxid um. Das entstandene CO² sorgt dann für Bewegung im Tank und wirbelt die Hefen wild durcheinander, wodurch die milchige Farbe entsteht. Die Österreicher bezeichnen das Getränk deshalb als "Sturm". Aber aufgepasst: Zugegeben, der Federweiße ist super-lecker und süffig. Aber auch nicht ganz ungefährlich. Keiner weiß nämlich genau wieviel Zucker zum Zeitpunkt des Trinkgenusses bereits in Alkohol umgewandelt wurde. Das hat schon so manchen Zecher ins Wanken gebracht...
Die Rotweinbereitung funktioniert ganz anders. Die geernteten Trauben machen eine "Maischegärung" durch. Das heißt, die an gequetschten Trauben werden vom Erntewagen direkt in Bütten oder in Tanks gepumpt, wo sie mit den Schalen gemeinsam vergären. Während der Gärung geht die rote Farbe aus den Trauben in den gärenden Most über. Ist die Gärung -so nach 10 Tagen- zu Ende, wird die vergorene Maische auf die Kelter gepumpt und abgepresst. Von der Kelter läuft dann bereits vergorener Wein.
Bei mir im Weinberg ist es aber bis zur Ernte noch ein paar Tage hin. Solange kann ich, gemeinsam mit meinen Träubchen, noch die herrliche Herbst-Sonne am Klosterberg genießen.
Bis bald!
Eure "Geierschelle" vom Nieder-Olmer Klosterberg
13. September 2021
Puh. Da haben wir ja nochmal richtig Glück gehabt. Die letzten beiden Wochen haben uns die längste Schönwetterperiode in diesem Jahr gebracht. Und das im meteorologischen Herbst, der am 01. September begonnen hat. Diese Sonnenstrahlen haben genau den Reifeschub gebracht, den mein Winzer und ich uns gewünscht haben. Öchslegrade nach oben und Säurewerte nach unten. Das war unglaublich wichtig für die in der nächsten Woche beginnende Weinlese. Trotzdem wünscht sich der Max noch ein paar schöne Sommertage, damit das Zucker-Säure-Verhältnis in den Trauben "passt". Im Vergleich zu den vergangenen drei Jahren liegt der Zuckergehalt nämlich noch ziemlich weit unten. Das zeigt jetzt schon, dass der 2021er Jahrgang eher leichte, schlanke und säurebetonte Weine bringen wird. Anders als die alkoholreichen Weine der letzten Jahre.
Klar brauchen meine Weinbeeren auch Säure, sonst würden die ja verderben. Das muss aber im Einklang mit dem Fruchtzucker stehen. Im Most dominieren Wein-, Äpfel- und Zitronensäure. Bei der Vergärung kommen Essigsäure, Milchsäure und Bernsteinsäure hinzu. Aber aufgepasst: die Essigsäure darf einen gewissen Wert nicht überschreiten, denn sonst übertönt sie den Weingenuss. Passt der Winzer bei der Gärung nicht auf, wird die Säure zu dominant und der Wein verdirbt und schmeckt eben wie Essig. Als Dressing für Salat okay, aber für den Genuss aus dem Weinglas: tabu!
Tja, so langsam muss ich mich daran gewöhnen, dass meine Träubchen, die ich seit Mai so aufopferungsvoll großgezogen habe, geerntet werden. War aber auch echt anstrengend dieser Sommer. Zumindest hatten meine Wurzeln in der Vegetationsperiode immer genügend Wasser. Dementsprechend pralle Bäckchen haben die Weinbeeren auch. Die ein oder andere Beere ist auch schon aufgeplatzt. Prall gefüllte Beeren, dann wird´s schon mal eng am Stilgerüst. Der Max runzelt da bedenklich die Stirn. Alle zwei Tage kommt er zu Besuch. Misst die Öchslegrade und kontrolliert den Fäulnisanteil der Trauben. So ermittelt er den optimalen Lesezeitpunkt. Aufgeplatzte Beeren sind ein gefundenes Fressen für die Kirschessigfliege, andere Insekten und Vögel. Machen die sich daran zu schaffen, infizieren die die Traube und die Fäulnis beginnt. Und das wiederum sorgt dafür, dass sich bereits auf der beschädigten Traube im Weinberg Essigsäure bilden kann.
Hier kommen die Staren-Schreck-Schussapparate und die Weinbergshüter ins Spiel. In unregelmäßigen Abständen werden Propangas-basierte Knallgeräuche erzeugt, welche die Vogelwelt vom Genuss der süßen Beeren vertreiben. Dazu kommt der "Wingertsschütz", der in den Herbstwochen von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang in den Weinbergen unterwegs ist um die Wingerte nicht nur vor gefräßigen Tieren, sondern auch vor zweibeinigen Langfingern zu schützen.
Wenn die Kinderchen dann mal "aus dem Haus" sind, dann kann ich mich auch mal wieder um mich selbst kümmern. Zum Beispiel um meine neuen Reb-Ruten, die seit dem Austrieb im Frühjahr gewachsen sind. Jetzt "verholzen" die so langsam. Das heißt, aus den grünen Trieben wird nun braunes Rebholz, welches den unweigerlich kommenden Frösten im Spätherbst und Winter Paroli bieten kann. Meine Blätter, die ich zur Versorgung der Traubenfrüchte benötige, stoße ich bald nach der Ernte ab. Die brauche ich dann nicht mehr. Auch den Saft in den Reben ziehe ich so langsam zurück. Das Holz wird trocken und mein Rebenleben spielt sich mehr und mehr in meinem knorrigen Weinstock und meinen tiefen Wurzeln ab.
Aber, zunächst muss ich noch durchhalten, bis der Max hier auf den Klosterberg zur Ernte kommt. Das ist ja schließlich der Höhepunkt in meinem Rebenjahr. Bis dahin gebe ich alles. Ich will meinen Winzer, der sich das ganze Jahr so rührend um mich gekümmert hat ja nicht enttäuschen.
Bis bald!
Eure "Geierschelle" vom Nieder-Olmer Klosterberg
30. August 2021
Es ist frisch und herbstlich bei uns hier oben am Klosterberg. Gestern zeigte das Thermometer gerade mal 15° Celsius. Meine Träubchen brauchen jetzt dringend Sonne und Wärme. Nur damit werden die Beeren bis zur Weinlese auch süß. Die "Öchslegrade" hängen noch weit hinter den Werten der Vorjahre zurück. Dieser Wert zeigt das Mostgewicht, also den Fruchtzuckergehalt in den Trauben an. Ein Liter Wasser wiegt bekanntlich genau 1.000 Gramm. Most ist eine Wasser/Fruchtzucker-Lösung und damit schwerer als Wasser. Je mehr Fruchtzucker sich bildet, desto höher wird das Mostgewicht. Für eine "Qualitätswein" sind -je nach Rebsorte- mindestens 60-68 Grad Öchsle weingesetzlich vorgeschrieben. Ein Liter Flüssigkeit wiegt demnach zwischen 1.060 und 1.068 Gramm. Eine Beerenauslese zum Beispiel muss mindestens 120 Grad Öchsle auf die Mostwaage bringen. Hier wiegt der Liter dann folglich 1.120 Gramm.
Mein Winzer erkennt mit der Mostwaage, dem sogenannten "Refraktometer" den Reifegrad der Früchte und kann auf dieser Basis entscheiden, wann der richtige Erntezeitpunkt gekommen ist. Das Ding sieht aus wie ein halbes Fernglas. Zwischen zwei Glasplättchen kommen ein paar Tropfen Most und dann schaut der Max durch das halbe Fernglas zum Himmel. Er sieht dann im Spektrum auf einer Skala wie es um die Süße meiner Früchte steht. An einem sonnig-warmen Tag kann das Mostgewicht meiner Trauben schon mal um zwei Grad nach oben gehen. Starke Regenfälle könne jedoch auch den Wert schon mal leicht nach unten drücken.
Max war letzte Woche nochmal mit seinem Laubschneider hier oben und hat uns Reben für die Weinlese schickt gemacht. Durch den vielen Regen sind meine Blätter noch weitergewachsen und haben dabei die Trauben verdeckt. Jetzt hängen die Träubchen wieder frei und können gierig die wenigen Sonnenstrahlen einfangen.
Die Winterbegrünung, die er erst vor wenigen Wochen in die Brachreihen eingesät hatte, ist -dank der Niederschläge- bereits toll gewachsen und wird dafür sorgen, dass der Traubenvollernter bei der Lese -auch bei feuchter Witterung- durch die Weinbergsreihen kommt. Im nächsten Frühjahr wird diese Begrünung wieder umgebrochen. Ich freue mich jetzt schon darauf, wenn der daraus entstehende Humus an meinen Wurzeln kitzelt.
Auch wenn es bis zum Start der Weinlese noch gut drei Wochen dauern wird, ist der Max schon voll in den Vorbereitungen. Aber nicht bei uns hier oben im Weinberg, sondern in der Bischofsmühle. Der macht dort alles blitzeblank. Absolute Sauberkeit ist angesagt bei der Weinherstellung. Die Edelstahltanks w
erden tip-top gereinigt und ausgedämpft. Die Kelter, mit der die Trauben nach der Lese abgepresst werden, wird durchgecheckt und die Traubenwagen vorbereitet.
Der größte Teil der Ernte wird mit der Lesemaschine eingebracht. Das High-Tech-Gerät ist so eingerichtet, dass wir Weinreben recht schonend behandelt werden, wenn die Glasfiberstäbe die Beeren abklopfen. Kleine Rebstücke und Blätter werden durch besondere Gebläse entfernt, so dass nur die Beeren in den Erntebunker gelangen. Ein Teil der Ernte jedoch, werden Max und seine Helfer mit der traditionellen Handlese einbringen. Das sind die Trauben aus den Einzellagen "Ober der Geierschell" und "Am Hübrich". Hier werden fast alle Arbeiten im Winzerjahr manuell durchgeführt um die Erntemenge zu reduzieren und damit die Qualität zu steigern.
Trotz aller Lesevorbereitungen wollen es Max und seine Anna vorher nochmal krachen lassen. An der Nieder-Olmer Weinbergsschaukel auf meinem Klosterberg laden die Beiden von Donnerstag, 09. September bis Samstag, 11. September zum "Panorama-Picknick" mit Live-Musik ein. Natürlich nur dann, wenn es die Witterung auch zulässt. Ist ja nicht so einfach in diesem seltsamen Sommer...
Dann könnt Ihr die gigantische Aussicht genießen, die ich als Weinrebe Tag für Tag erleben darf.
Wir sehen uns!
Eure "Geierschelle" vom Nieder-Olmer Klosterberg
16. August 2021
Endlich erleben wir mal wieder eine längere Schönwetterphase.
Genau so habe ich mir das gewünscht. Die Beeren an meinen Trauben werden nun so langsam weich. Sie beginnen sich mit Flüssigkeit zu füllen. Zunächst ist das mal eine ziemlich saure Angelegenheit. Die hohe Säure wird sich aber hoffentlich, mit Hilfe unserer lieben Sonne, in den nächsten Wochen Tag für Tag abbauen. Der Zuckergehalt in den Weinbeeren wird zunehmen. Je mehr Sonnenstrahlen, desto schneller geht das.
Bis letzte Woche konnte der ungeübte Spaziergänger an den Weinbergen kaum unterscheiden, ob es sich um einen Wingert mit weißen oder mit roten Rebsorten, handelt. Das ändert sich in diesen Tagen. Die Regent-Rebe ist im Farbumschlag bereits weit fortgeschritten. Es folgen der Dornfelder, der Spätburgunder und der Cabernet Sauvignon. Bis die Beerchen so richtig süß sind und mundgerecht stibitzt werden können, das dauert aber noch bis Ende August.
Auch bei mir, der Grauburgunder-Rebe, wird sich die Farbe der Weintrauben bis zur Weinlese noch verändern. Die sehen dann bernsteinfarben aus, so wie auch bei meinen Freunden, den Gewürztraminer-Reben. Dass könnt Ihr später auch im Glas sehen. Der Grauburgunder-Wein ähnelt bei der Farbe in etwa dem Blanc de Noir, dem Weißwein der aus roten Rebsorten gekeltert wird, bevor der Most auf der Maische vergärt.
Ich will ja nicht unken, aber, wenn nichts mehr ganz Schreckliches bei der Witterung passiert, dann wird´s in diesem Jahr genügend Trauben geben um die Kontingente zu erfüllen. Ja, Ihr habt richtig gelesen, die erlaubten Erntemengen sind kontingentiert! Da kann mein Winzer Max nicht einfach ernten so viel er will.
Das fängt schon bei der Pflanzung der Anlagen an. Die Anbaufläche für Wein in Deutschland ist auf 103.000 Hektar begrenzt und darf jedes Jahr nur um maximal 0,3 % auf "weinbauwürdigen Flächen" ausgeweitet werden. Ob ein Acker dieses Privileg erfüllt damit dort überhaupt Reben angebaut werden dürfen, ist streng festgelegt. Jeder Weinbaubetrieb hat eine klar definierte Anbaufläche auf der er seinen Weinbau betreiben darf.
Kein anderes Lebensmittel in Deutschland ist in seiner Produktion und Vermarktung limitiert und wird so durchgängig kontrolliert. Deshalb gilt für den deutschen Wein auch nicht das Lebensmittelgesetz, sondern eine Reihe von nationalen und europäischen Weingesetzen und Verordnungen. Im Weinbau nennen sich die Überwacher deshalb auch nicht Lebensmittel-, sondern Weinkontrolleure, Ein Paragrafendschungel, an dem schon so mancher Winzer verzweifelt ist.
Die Erntemengen pro Hektar sind klar festgelegt. Erzeugt mein Winzer einen "Qualitätswein" aus dem Anbaugebiet Rheinhessen-, so darf er maximal 10.500 Liter Wein pro Hektar erzeugen und vermarkten. Erntet er in einem Jahr weniger, hat er Pech gehabt. Erntet er eine größere Menge, hat er die Möglichkeit seinen Wein als "Landwein" zu einem deutlich niedrigeren Preis zu vermarkten. Hier kann er dann 15.000 Liter pro Hektar von seinem Kontingent abschreiben. Kommt der Ertrag mal ganz dicke, kann er den Wein zu sogenannten "Verarbeitungswein" abstufen. Der taucht dann üblicherweise in Wein-Mischgetränken, Glühwein oder als Traubensaft auf. Ansonsten bleibt dem Winzer nur die Möglichkeit, überschüssige Erntemengen schon bei der Ernte auf den Boden fallen zu lassen, oder dann später den Wein kostenpflichtig "vernichten" zu lassen.
Eine Verrechnung von guten und schlechten Ertragsjahren ist dabei verboten und das wird von den Weinkontrolleuren des Landesuntersuchungsamtes auch streng kontrolliert.
Die Winzer wünschen sich deshalb eine möglichst "passgenaue" Erntemenge, damit die Kontingente optimal ausgenutzt werden. Natürlich kann mein Winzer bereits beim Rebschnitt Einfluss auf die vermeintliche Erntemenge nehmen, indem er seine Reben im Winter stärker oder weniger stark zurückschneidet. Bis der Herbst kommt, wird die Erntemenge jedoch "eine Etage höher" entschieden. Schließlich spielt am Ende das Wetter die entscheidende Rolle. Das immer wiederkehrende Zusammenspiel zwischen Frost und Hitze, Niederschlägen und Trockenheit, sowie Sturm und Hagel sind die von Euch Menschen nicht zu beeinflussenden Zutaten für die Ernte bei uns im Weinberg.
Und das ist auch gut so!
Eure "Geierschelle" vom Nieder-Olmer Klosterberg
2. August 2021
So, das Gröbste ist geschafft im Weinberg für dieses Jahr. Zumindest für den Max und seine HelferInnen (jawohl, auch eine Rebe kann "gendern").
Arbeitsmäßig wird es in den nächsten Wochen nun deutlich ruhiger und einsamer bei uns im Wingert am Klosterberg werden. Aber da sind ja noch die vielen Spaziergänger, die seit einigen Wochen gerne die "Wingertsschaukel" der Bischofsmühle nutzen und den herrlichen Ausblick genießen.
Max hat die Laubarbeiten beendet und sich mit seiner Anna ein paar Urlaubstage gegönnt. Die Weinbergszeilen stehen jetzt tip-top da. Alle Triebe sind im Drahtrahmen sorgfältig eingeheftet und können auch schon mal einer kräftigen Brise Widerstand bieten.
Die Blätter um die Trauben herum sind entfernt, damit die Sonne ungehindert die Früchte bescheinen kann. Damit ich als Rebstock trotzdem noch einen ordentlichen Stoffwechsel habe, hat mein Winzer die Blätter außerhalb der Traubenzone an den Reben belassen. Und die "grüne Lese", bei der überschüssige Trauben abgeschnitten werden, ist auch vorbei.
Das Gras zwischen den Reihen ist frisch gemulcht und herrlich grün, so sieht bei uns hier oben jetzt alles sehr ordentlich aus.
Wenn ich da an die drei vergangenen Sommer denke. Da gab es im Juli kaum noch etwas Grünes im Weinberg. Die Sonne hatte nicht nur alle Wildkräuter und Gräser quasi verbrannt, sondern auch meine Wasserversorgung stark beeinträchtigt. Ich hatte große Probleme, meine Trauben und die Blätter bis zur Ernte durchzubringen. Ganz ehrlich, als ich über meine tiefgründigen Wurzeln kein Wasser mehr bekam, musste ich die Notbremse ziehen um zu überleben. Da konnte ich leider nicht mehr all meine Trauben versorgen. Einige sind am Stock vertrocknet.
Sonnenbrand bei Trauben? Das gab es tatsächlich. Ihr Menschen könnt Euch dagegen schützen in dem Ihr in den Schatten ausweicht, oder Sonnencreme benutzt. Meine Träubchen aber, die waren der Sonne gnadenlos ausgeliefert. Von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang. Die feine Beerenhaut wurde ledrig und die Trauben dörrten -aufgrund des fehlenden Wassernachschubs- buchstäblich aus. Denkt mal an mich, wenn ihr Euch wieder mal ungeschützt in die Sonne legt...
Zum Glück bleibt mir das in diesem Jahr erspart. Ich habe noch so viel Wasser verfügbar, da hauen mich auch einige Wochen Hitze nicht mehr um.
Was ich mir jetzt wünsche? Sechs Wochen Sonne, angenehme Wärme und eine leichte Brise. Das wären ideale Voraussetzungen für die Weinlese 2021, die Mitte September beginnen wird. Nach den Wetterkapriolen der vergangenen Wochen und Monate wird das aber kein Selbstläufer. Zu viele Unwägbarkeiten können noch dazwischenkommen. Hagel, Starkregen, Sturm, die Kirschessigfliege oder Pilzkrankheiten können jederzeit den derzeit guten Aussichten einen Strich durch die Rechnung machen.
So ist das eben in der Landwirtschaft, im Obst- und im Weinbau. Abgerechnet wird erst dann, wenn die Ernte eingefahren ist. Aber ich will ja nicht unken und drücke meinem Winzer -und natürlich auch mir- fest die Daumen, dass mal endlich eine stabile Schönwetterperiode nach Rheinhessen kommt. Darüber würden sich auch die Schulkinder freuen, die in den Ferien mal gerne wieder ins Schwimmbad gehen würden.
Eure "Geierschelle" vom Nieder-Olmer Klosterberg
19. JuLi 2021
Puh! Endlich mal wieder Sonne. Seit dem Wochenende haben wir Hochdruckwetter mit Wärme und Sonnenschein. Das was sich Mitte letzter Woche mit dem Tief "Bernd" abgespielt hatte, war ja eher trister Spätherbst als Hochsommer. Aber nein, wir beschweren uns natürlich nicht. Wir denken an die Menschen, die im Ahrtal und an der Mosel alles verloren haben.
So oft habe ich den Max im Sommer noch nie gesehen. Fast täglich besucht er mich und kontrolliert meine Blätter. Dort sieht er, insbesondere auf den Blattunterseiten, ob sich gefährliche Pilze ansiedeln. Ist dies der Fall, muss mein Winzer sofort reagieren und Pflanzenschutz betreiben. Das funktioniert aber nur dann, wenn die Blätter auch trocken sind und die Pflanzenschutzmittel mindestens zwölf Stunden daran haften können. Letzte Woche zwischen Montag und Freitag, gab es beispielsweise keine einzige Minute, in der meine Blätter trocken waren. Ganz ohne systemischen Pflanzenschutz geht es leider in solchen Extremwetter-Jahren in unseren Breiten nicht. Da stoßen gerade auch die Bio-Betriebe, nur pflanzenstärkende Mittel und Kupfersulfat ausbringen dürfen, ganz schnell an ihre Grenzen.
Aber, meine Hoffnung ruht ja auf den Monaten zwischen Mitte Juli und Mitte September. Die Grundlagen sind gelegt, Wasser ist mehr als genug da, jetzt muss die Sonne nur noch das Werk vollenden, damit ab Ende September die Weinlese erfolgreich wird.
Meine Trauben freuen sich schon darauf, zumal der Max die Blätter entfernt hat, welche die Trauben beschattet hatten. Dem Winzer sind das jetzt aber etwas zu viele Früchte an meinem Weinstock. Mit seinen Leuten schneidet er einen Teil der Trauben ab und lässt die auf den Boden fallen. Große Trauben halbiert er in der Mitte. Somit wird die Qualität des späteren Lesegutes gesteigert. Die Sonne powert den Zuckergehalt natürlich schneller hoch, wenn weniger Trauben im Weinberg hängen. Auch die Mineralstoffe und Vitamine konzentrieren sich stärker, wenn weniger Früchte zu versorgen sind. Denn: "weniger" heißt bekanntlich "mehr"!
Mehr Sonne im Herbst bringt süßere Weine? Nein, das ist natürlich Quatsch. Je süßer der Most im Herbst, desto mehr Fruchtzucker kann durch die alkoholische Gärung in Alkohol umgewandelt werden. In der Regel greifen sich die Hefen jedes verfügbare Zuckermolekül um es in Alkohol und Kohlendioxid umzuwandeln. Aber nur wenn die Hefen auch ihren Spaß haben. Das ist bei ca. 20 C° der Fall. Das kann der Winzer im Keller steuern. Dazu hat er seine Gärungstanks mit einer Temperatursteuerung ausgerüstet. Möchte er als Ergebnis einen trockenen Wein haben, dann kühlt oder erwärmt er den Most auf die Wohlfühltemperatur der Hefen. Die wandeln dann den komplett vorhandenen Restzucker in Alkohol und Kohlendioxid um. Möchte er einen halbtrockenen oder gar lieblichen oder süßen Wein haben, dann setzt er seine Kühlung in Gang. Das ist die Spaßbremse für die Hefen. Die sterben dann ab und fallen auf den Boden des Weintanks. Die Weinhefe kann aber durchaus nach getaner Arbeit noch Karriere machen. Manche Winzer lassen diesen sehr nährstoffhaltigen Trub von einer Brennerei destillieren und verkaufen das Produkt als feinen Weinhefebrand.
Neben dieser traditionellen, aber recht aufwändigen Einstellung der Geschmacksrichtung gibt es noch eine weitere, deutlich einfachere Möglichkeit, den Restzucker einzustellen: Man bedient sich der Zugabe von "Süßreserve". Das ist unvergorener Traubenmost, mit dem die gewünschte Süßung punktgenau eingestellt werden kann.
Als "trocken" darf ein Wein mit maximal 9 Gramm Restzucker bezeichnet werden. Halbtrockene Weine haben maximal 18 Gramm Restzucker. Zwischen 19 und 45 Gramm weisen die lieblichen Weine auf und darüber hinaus spricht man von "süß".
Der seit geraumer Zeit gerne genutzte Begriff "feinherb" ist weingesetzlich nicht definiert und deshalb manchmal eine Wundertüte. Der Geschmack hat nämlich meist nicht viel mit dem Begriff "herb" zu tun. Deshalb, Augen auf beim Weineinkauf und einfach beim Winzer mal ein Schlückchen probieren.
Prösterchen!
Eure "Geierschelle" vom Nieder-Olmer Klosterberg
5. JuLi 2021
Hallo vom Klosterberg. Läuft bei uns! Solch herrlich nasse Füße hatte ich schon lange nicht mehr. Im Juni sind rund 100 Liter Regen pro Quadratmeter auf uns runtergeprasselt. Mehr als dreimal so viel wie im letzten Jahr. Von Trockenheit keine Spur. Und das Beste ist: Bislang keine schlimmen Gewitter mit Starkregen oder Hagelschlag. Hoffentlich bleibt das auch so.
Als Rebe entwickle ich mich in diesem Jahr prächtig mit sattem Grün. Zugegeben: Ich sah in den letzten Tagen etwas ungepflegt aus. Durch meine Top-Wasserversorgung bin ich mächtig gewachsen. Was der Friseur für Euch Menschen, ist mein Winzer für mich. Er bringt mich optisch "in Form".
"Laubarbeiten" sind deshalb im Weinberg derzeit angesagt. Mein Winzermeister Max kommt kaum nach mit der Arbeit.
Meine Laubwand wurde in den letzten Wochen so dicht, dass die Blätter nach einem Regen lange feucht bleiben und dadurch einen idealen Nährboden für Pilzkrankheiten und Schädlinge bilden. Wird ein Teil der Blätter entfernt, kann der Wind mein Grün schneller trocknen und Krankheiten und Schädlinge haben es dadurch deutlich schwerer.
Zunächst gibt es den Grobschnitt mit dem Laubschneider. Ein Anbaugerät am Traktor mit dem alle überschüssigen Triebe abgetrennt werden, die in die Fahrgassen hinein- oder über den Drahtrahmen hinausragen. Das bringt nicht nur optisch etwas, sondern sorgt auch dafür, dass alle wichtigen Nährstoffe in mir auch dort bleiben, wo sie gebraucht werden. Wichtigstes Qualitätsziel dabei: die Herstellung eines optimalen Verhältnisses zwischen Blättern und Früchten.
Dann kommt das "Feintuning". Durch das "Entblättern der Traubenzone" werden die kleinen Weinbeeren, die nach der Blüte entstanden sind an die Sonnenstrahlen gewöhnt. Das ist so wie bei Euch Menschen. Ihr geht auch schon im Frühjahr gerne mal in die Sonne, damit ihr Euch im Sommer keinen Sonnenbrand holt. Je näher es der Weinlese zu geht, desto mehr profitieren die Trauben davon, denn die Sonnenstrahlen machen meine Früchte süß.
Der Max hat für diesen Arbeitsschritt im Weinberg ein Anbaugerät an seinem Traktor. Das funktioniert wie ein Gebläse, nur genau umgekehrt. Beim Durchfahren der Weinbergsreihen werden die Blätter in der Traubenzone angesaugt und abgeschnitten. Die Blätter außerhalb des Bereiches wo die Trauben wachsen, bleiben natürlich dran, die brauche ich ja für die Fotosynthese, ohne die ich als Weinrebe ja gar nicht leben könnte.
Erst seit wenigen Jahren "entblättert" mein Winzer. Auslöser war das Auftreten der Kirschessigfliege in Deutschland vor genau zehn Jahren. "Drosophila Suzukii", was sich anhört wie ein japanisches Moped ist ein, nur 2-3 Millimeter großes, aber brandgefährliches Insekt. Aus dem südostasiatischen Raum eingewandert. Schwülwarme Witterung lässt die Population des Insektes im Sommer explodieren. Rote Früchte wie Himbeeren, Johannisbeeren, Kirschen und natürlich auch rote Weinbeeren sind das Ziel der Miniflieger.
Sobald die Früchte mit der Rotfärbung beginnen, greift die Fliege an. Das weibliche Insekt bohrt das Obst an und legt Hunderte von Eiern dort ab. Innerhalb von wenigen Stunden entwickeln sich in den vorher kerngesunden Früchten Maden und machen sie ungenießbar. Wenn Faktoren wie Feuchtigkeit, Wärme und die einsetzende Reife der Früchte zusammenkommen, geht das alles blitzschnell und der Winzer hat kaum eine Chance mit verfügbaren Pflanzenschutzmitteln gegen die Kirschessigfliege anzugehen. Ein Befall führt dann meistens zum Totalausfall der Ernte. Warum nur rote Früchte davon betroffen sind, das weiß noch keiner so ganz genau.
Jedenfalls baut der kluge Winzer vor und sorgt dafür, dass die Laubwand durchlässig und möglichst trocken bleibt. Trockenheit, Sonnenstrahlen und sommerliche Temperaturen ab 26° Celsius mag diese ungebetene Fliege nämlich überhaupt nicht. Bleibt zu hoffen, dass wir in den kommenden Wochen trockene und sonnige Tage erleben. So kann ich meine vielen Früchte gesund durch den Sommer bringen und mein Winzer darf im Herbst leckere Trauben ernten. Als Grundlage für seinen Weinjahrgang 2021.
Eure "Geierschelle" vom Nieder-Olmer Klosterberg
21. Juni 2021
Puh! Der heutige Sommeranfang macht seinem Namen alle Ehre. Heiß geworden ist es da oben bei uns am Berg. Vor lauter Hitze habt Ihr sicherlich den Höhepunkt des Jahres in meinem Rebenleben verpasst.
Ende vergangener Woche hat in unseren Gefilden die Rebblüte stattgefunden. Außer den Winzern hat da kaum einer etwas davon mitbekommen. Ist ja auch recht unspektakulär für Euch Menschen. Unsere Blüten sind winzig klein, haben keine tolle Farbe und sind mit dem bloßen Auge kaum erkennbar.
Für uns Reben ist die Blüte allerdings unglaublich wichtig! Sie ist mitentscheidend für die Erntemengen zur Weinlese. Spätfrost und schlechtes Wetter zur Rebblüte, davor haben die Winzer Angst. Natürlich besteht den ganzen Sommer über noch die Gefahr von Unwettern mit Hagel. Dies gehen jedoch meist nur lokal nieder und haben dann kaum Auswirkungen auf die Gesamterntemenge des Jahrgangs.
Wie das mit der Rebblüte funktioniert?
Seit dem Rebenaustrieb im Frühjahr haben sich die Gescheine gebildet, die in den letzten Wochen unzählige, kleine Knospen entwickelt haben. Die sind in der letzten Woche aufgeplatzt und man sah an dem Geschein die winzig kleinen Blütenblättchen. Die Staubfäden geben ihre Pollen auf die Narbe ab, wo die Pollenkörner zu keimen beginnen.
Wir Reben sind ja Selbstbefruchter. Kommen also auch ganz gut ohne Bienen klar. Die fliegenden Brummer konzentrieren sich da lieber auf die jetzt ebenfalls blühenden Wildkräuter in den Fahrgassen. Für uns ist es wichtig, dass es während der nur wenige Tage dauernden Rebblüte warm und trocken ist. Eine leichte Brise dazu ist natürlich die Krönung. Genauso eben, wie das Wetter Ende vergangener Woche war.
Bei Regen oder kühlen Temperaturen dagegen, wären die kleinen Beerchen unbefruchtet vom Geschein abgefallen. Mein Winzer spricht dann von "Verrieselung".
Sind die Beeren befruchtet, geht die weitere Entwicklung ganz flott. In wenigen Tagen seht ihr schon die kleinen Wein-Beeren wachsen. Rund einhundert Tage brauche ich, ab der Rebblüte, um meine Trauben soweit zu entwickeln, bis der Max die ernten kann. "Physiologische Reife" nennt der das. Oft lässt er meine Trauben aber auch noch länger am Stock hängen.
Kommt ganz darauf an, was er mit denen vorhat. Will er frische, säurebetonte Weine ausbauen, kommt er recht früh mit seinem Vollernter vorbei. Schielt er auf kräftige, opulente Weine, dann lässt er die Trauben noch etwas Spätsommer-Sonne tanken. Dann baut sich die Fruchtsäure schon in der Traube ab und die Öchslegrade, mit denen der Fruchtzucker in der Traube gemessen wird, gehen nach oben. Das bringt mehr Alkohol und auch mehr Fülle.
Wer sich beeilt, der findet auch in den nächsten Tagen noch blühende Trauben in den Weinbergen. Einfach mal dicht ran mit Augen und Nase an die Gescheine. Wer ein ganz besonders feines Näschen hat, der riecht ihn vielleicht, den zarten Duft der Rebblüte.
Eure "Geierschelle" vom Nieder-Olmer Klosterberg
07. Juni 2021
Habt Ihr sie auch genossen? Die ersten Sommertage in der vergangenen Woche?
Ich habe das auf jeden Fall. Dazu kamen am Wochenende nochmal gut 20 Liter Regenwasser pro Quadratmeter vom Himmel. Gut versorgt mit Wasser aus den Regenfällen von April und Mai pumpen meine Wurzeln derzeit kräftig Wasser in meine Triebe. Die wachsen brutal schnell. Da könnt Ihr quasi zuschauen.
Mein Winzer Max kommt ja kaum mit dem "Heften" nach. So nennen wir das, wenn die Halte-Drähte im Weinberg -immer im Einklang mit dem Längenwachstum der Triebe- nach oben in den Weinbergspfahl eingerastet werden. Das gibt meinen jungen Trieben halt. Gerade bei heftigen Sommergewittern, wir sie ja am Wochenende erlebt haben, würden die zarten Triebe ganz leicht abbrechen.
Die beiden "Heftdrähte" sind auf gleicher Höhe und dazwischen werden die Triebe eingesteckt. Diese Arbeit ist nichts für Grobmotoriker und erfordert schon etwas Geschick. Schließlich habe ich mir alle Mühe gegeben mit dem Austrieb vor einigen Wochen um die jungen Triebe mit ihren Fruchtansätzen so weit zu bringen.
Tja, so ein Sommergewitter hat natürlich zwei Seiten. Fällt dabei Regen, freue ich mich da riesig drüber. Für Feuchtigkeit bin ich -in dieser Phase der Vegetation- jederzeit zu haben. Ist aber Sturm oder gar Hagel dabei, kann es ganz Dicke für mich kommen.
Derzeit wachsen nicht nur meine Triebe, sondern auch die vielen Wildkräuter. Früher wurden die üblicherweise als "Unkraut" bezeichnet. Die haben zwar jetzt einen schöneren Namen, sind meinem Winzer trotzdem ein Dorn im Auge. Er hält die mit seinem Mulchgerät in Schach. Das ist quasi ein überdimensionierter Rasenmäher, der an den Traktor angebaut wird. Je kürzer das Gras, desto geringer die Verdunstung in den Fahrgassen und desto mehr Wasser für mich als Rebe.
Recht entspannt ist es derzeit noch an der Pflanzenschutz-Front". Trocken-warme Witterung das mögen die Schädlinge und Pilze nämlich gar nicht. Kommt zur Wärme jedoch Feuchtigkeit, die lange auf meinen Blättern verbleibt, dann geht das ganz schnell los. Gegen den "echten Mehltau", die gefährlichste Pilz-Krankheit im Weinberg, muss der Winzer sofort handeln, denn der macht mir ganz schnell den Garaus. Gerade dann, wenn starke Wachstumsschübe bei meinen Trieben und Blättern einsetzen, sehe ich meinen Winzer öfter mal mit seiner Spritze beim Pflanzenschutz. Dabei muss ich zu seiner Ehrenrettung sagen, dass Pflanzenschutz nicht immer auch mit systemischen oder gar giftigen Substanzen gleichzusetzen ist. Meist handelt es sich um ein Netzschwefel-Wassergemisch.
Echt unbeliebt bei uns Reben sind auch Blatt-Läuse, die uns mit Sicherheit in den kommenden Wochen wieder heimsuchen werden. Bevor die jedoch Schaden im Weinberg anrichten können, hat der Max quasi ein "Frühwarnsystem" installiert: An allen vier Ecken eines Weinbergs hat Max´ Mutter Rosenstöcke gepflanzt. Die sehen toll aus und werden bald blühen. Das freut nicht nur die Spaziergänger. Der eigentliche Grund für die Anwesenheit der dornigen Pflanzen ist jedoch, dass die kleinen, gefräßigen Schädlinge sich gerne daran zu schaffen machen. Blattläuse sind zuerst an den Rosen zu finden, bevor die sich über die Rebblätter hermachen. So kontrolliert mein Winzer in diesen Tagen ständig die Rosenstöcke auf Blattlaus-Befall. Geht es dort los mit den kleinen, lästigen Biestern, muss er flott mit der Nachläuferspritze ran, damit meine Blätter und Triebe frei von Schädlingen bleiben.
Eure "Geierschelle" vom Nieder-Olmer Klosterberg
24. Mai 2021
Es grünt so grün bei uns im Weinberg. Wir Reben strotzen derzeit nur so vor Kraft. Trotz der ungewöhnlich niedrigen Temperaturen für den angeblichen Wonnemonat Mai. Durch die Regenfälle der vergangenen Wochen stehe ich jetzt voll im Saft. An den Augen meiner Biegerebe sind jetzt schon stattliche Triebe gewachsen an denen die "Gescheine" schon zu sehen sind. So nennt man die Früchte des Weinstocks im Frühstadium. Nach der Blüte bilden sich dort die Beeren am Stilgerüst.
Jetzt geht´s auch mit der Handarbeit für den Winzer weiter, Das "Ausbrechen" ist angesagt. An den Augen werden die Doppeltriebe entfernt, damit sich die ganze Kraft des Weinstocks auf einen Trieb pro Auge konzentriert. Das ist ein Kampf um die Nährstoffe. Auch an meinem eigentlichen Rebstock von der Veredlung am Boden bis zur Biegerebe grünt es an jeder Ecke. Das will mein Winzer aber natürlich nicht, denn diese Austriebe sind nicht fruchtbar und kosten mich nur unnötige Kraft, die ich im Laufe der Vegetationsphase noch gut gebrauchen kann. Der Max und seine Helfer haben deshalb in der letzten Woche damit begonnen, all diese Austriebe von Hand zu entfernen. Das ist eine echte Knochenarbeit. Jeder einzelne Rebstock muss dafür angeschaut werden und die kleinen Triebe müssen abgebrochen werden. Da hast Du am Abend mächtig "Rücken". So wie beim Spargel stechen. Für mich als Rebstock ist das ein schönes Gefühl, wenn nur noch die gewünschten Triebe stehen und ich meine ganze Kraft dort hineinlegen kann. Nach dem Rebschnitt ist das für meinen Winzer eine ganz wichtige Weichenstellung für die Ertrags- und Qualitätssteuerung. Qualität statt Masse! Außerdem bleibt mein Grün dann sehr luftig und die Blätter trocknen nach Regenfällen schneller ab. Bei den niedrigen Temperaturen der vergangenen Wochen war das noch nicht so wichtig. Wenn es jetzt aber ab Ende Mai (hoffentlich) warm wird, dann kuscheln sich in der feuchten Blattmasse ganz gerne auch die Schädlinge, die sich an meinen zarten Blättern zu schaffen machen. Ohne Sonne, Blätter und Wasser, kommt die Fotosynthese nicht in Gang. So bezeichnet man den biochemischen Prozess bei dem in einem Zusammenspiel von Licht, Wasser und Kohlendioxid, Glucose und Sauerstoff entstehen.
Meine Rebkollegen aus sogenannten Nicht-Schnitt- oder Minimalschnitt-Anlagen, die haben in diesen Tagen größere Probleme. Habt Ihr bestimmt schon mal gesehen, solche Anlagen, bei denen im Winter kein manueller Rebschnitt erfolgt. Die sehen jetzt richtig wild aus. Sind jetzt schon fast so grün wie im Sommer, da überall frisches Grün austreibt. Der Winzer lässt die Rebstöcke einfach wachsen und fährt dann in einigen Wochen mit seinem Traktor und einem vertikal angebauten Rebschneider durch die Gassen. Das spart ihm mächtig Arbeitszeit und damit Geld. Statt 240 Arbeitsstunden im Jahr pro Hektar Weinbergsfläche wird in Nichtschnitt-Anlagen nur rund die Hälfte an Zeit benötigt. Aber mal ehrlich: ich bin froh, dass der Max auf den klassischen Rebschnitt setzt und mir jedes Jahr eine neue Frisur verpasst. Ich habe schon genug damit zu tun, meine Triebe das ganze Jahr über so zu ernähren, damit mein Winzer im Herbst die gewohnt guten Traubenqualitäten ernten kann. Meine Nichtschnitt-Kollegen stöhnen schon darüber, wenn gerade zu Vegetationsbeginn überall Triebe wachsen, die ja auch versorgt werden müssen. Das geht den Reben ganz schön an die Knochen. Im ersten Jahr erntet der Winzer dort deutlich größere Mengen als beim Normalschnitt. Spätestens im zweiten oder dritten Jahr geht der Rebe dann die Puste aus. Dann bringt sie zwar immer noch viele Gescheine auf den Weg, die jedoch sehr klein sind und auch deutlich später ausreifen. Während ich mit einer Lebensdauer von satten 25 Jahren rechne, werden meine "wilden" Kollegen schon deutlich früher durch neue Weinreben ersetzt.
Aber aus diese "Erziehungsform" hat positive Seiten. Durch die enorme Blattmasse sind die Trauben bei einem Sommergewitter gegen leichten Hagel oder extremen Sonnenbrand geschützt. Die kleinen Traubengerüste sorgen dafür, dass die Beeren locker ansetzen und sich zur Ernte hin nicht gegenseitig abdrücken und für Fäulnis sorgen. Und besonders wichtig, wie schon gesagt, der Winzer spart deutlich an Arbeitszeit.
Ist also wie immer im Leben, jede Medaille hat zwei Seiten, positive, aber auch negative. Das macht unser Reben-Leben ja auch so interessant.
Ich wünsche Euch eine schöne Woche und bis bald.
Eure "Geierschelle" vom Nieder-Olmer Klosterberg
10. Mai 2021
Es hat wieder ganz schön gepfiffen letzte Woche bei uns am Klosterberg. Am Mittwoch noch Graupelschauer und Sturm, gestern dann sommerliche Temperaturen von fast 30 Grad. Ganz schön verrückte Zeiten. Aber mir macht das alles recht wenig aus. Meine Fruchttriebe wachsen trotzdem jeden Tag ein kleines Stück. "Läuft" also!
Mein Winzer kümmert sich jetzt -quasi indirekt- um mich. Der weiß ja, dass bald die warmen und sonnigen Monate kommen und es voraussichtlich in Rheinhessen wieder an Niederschlägen mangeln wird. "Klimawandel" sagt Ihr Menschen dazu. Deshalb achtet er jetzt schon darauf, dass der Boden zwischen den Rebenreihen nicht so schnell austrocknet. Ihr habt Euch sicherlich schon mal gefragt, warum jede zweite Zeile abwechselnd mal grün ist, also mit Rasen oder Klee bepflanzt und die andere Zeile umgebrochen, also erdbraun ist.
Hat einen ganz einfachen Grund: Ist die Reihe begrünt, verdunstet jede Menge Wasser über die Pflanzen, deren oberflächige Wurzeln das Wasser aus dem Boden ziehen. Meine Rebenwurzeln gehen ja viel tiefer als die Wurzeln des Grünzeugs und so bekomme ich deutlich weniger Regenwasser ab. Die Begrünung gräbt mir sozusagen das Wasser ab. Das geht ja gar nicht! Wie soll ich da im Sommer meine Trauben ernähren. Mein Winzer spricht da von "Wasserkonkurrrenz".
Trotzdem braucht der Max diese "Fahrgassen", denn er muss ja bis zur Ernte noch zigmal mit seinem Traktor durch den Wingert fahren, auch dann, wenn´s gerade geregnet hat. In einer Reihe ohne Begrünung geht das schlecht, weil es dort gerne mal matschig wird. Die zweite Reihe -die unbegrünte-, hat auch ihren Sinn. Mit Grubber oder Egge bricht mein Winzer im Frühjahr den Boden auf und lockert ihn. Damit wird das Bodenleben angeregt. Verdichtungs- und Verschlämmungsschichten werden durchbrochen. Es entstehen kleine Hohlräume, die das Wasser aufnehmen und vor Verdunstung schützen. Ist der Boden "offen", kann der Max auch organischen Dünger einbringen. Vor einigen Wochen erst hat er Kompost aus der Essenheimer Anlage bei uns im Weinberg ausgestreut. Womöglich kommt der Kompost aus Euren Gartenabfällen, die ihr am Wochenende zum Wertstoffhof bringt. Dankeschön dafür! Das nenne ich doch mal "Kreislaufwirtschaft". Der eingebrachte Humus wird im Boden abgebaut und mineralisiert. Dadurch entsteht natürlicher Stickstoff und den brauche ich ganz dringend für mein weiteres Wachstum.
Aber zu viel des Guten soll`s ja auch nicht sein. Deshalb entnimmt der Max regelmäßig Bodenproben und lässt die im Labor analysieren. Dann weis er genau, wieviel Humus er ausbringen muss, damit ich optimal versorgt werde. Er kümmert sich schon rührend um mich das ganze Jahr über. Das danke ich ihm im Herbst mit gesunden und süßen Trauben aus denen er seine Weine keltern kann.
Übrigens, diese Woche sind die "Eisheiligen" am Start. Geht am Mittwoch mit dem "Pankratius" los, am nächsten Tag folgt der "Servatius", dann der der "Bonifatius" und am Samstag, den 15. Mai kommt zum guten Schluss die "kalte Sophie". Die Namen sind nach Bischöfen und Märtyrern benannt. Oftmals gibt es Nachtfröste in dieser viertägigen Periode, besonders dann, wenn diese Tage auf einen Vollmond fallen. Auch wenn die Wetter-App auf Eurem Smartphone heute schon verrät, dass die Nachttemperaturen voraussichtlich so zwischen 7 und 9 Grad Celsius liegen werden, sind Landwirte und Winzer immer heilfroh, wenn diese Tage -ohne Kälteeinbruch- vorüber gehen.
Eure "Geierschelle" vom Nieder-Olmer Klosterberg
26. April 2021
Hurra, ich bin in der Wolle!
Ups, sorry, ich glaube das muss ich Euch jetzt etwas näher erklären. Konkret heisst das, dass es jetzt bei mir losgeht. Mein Winterschlaf ist zu Ende. Die Vegetation beginnt. Und das könnt Ihr auch schon an meinem Rebstock sehen. An den Augen meiner Rebe tut sich was. Da seht Ihr nun kleine "Knubbel", die aussehen wie Watte-Woll-Bällchen.
Dort werden in wenigen Tagen die Knospen aufplatzen und das erste, zarte Grün wird austreiben. Kommt natürlich auf die Witterung an. Je wärmer die Temperaturen, desto schneller geht das. Zunächst wachsen die ersten Triebspitzen raus und dann schon bald die "Gescheine". Das sind die Vorstufen der eigentlichen Trauben. Jetzt heisst es Daumen drücken, damit uns Nachtfröste erspart bleiben. Bei Temperaturen unter dem Gefrierpunkt wird´s kritisch, dann kann ich meine Triebspitzen nicht mehr schützen. Die erfrieren dann und sterben ab. Dann bliebe nur noch die Möglichkeit, dass ich meine "Bei-Augen" aktiviere. Die sind zwar nicht so fruchtbar wie meine regulären Augen, sind aber quasi eine Ersatzlösung, sollte der Frost doch noch zuschlagen.
Ich pumpe jetzt schon seit einigen Tagen das Wasser tief aus dem Boden durch meine Wurzeln hoch. Jetzt zahlt sich der Regen aus dem Februar aus. Während ich seit dem Rebschnitt im Januar ein ziemlich nacktes und trostloses Bild abgegeben habe, werde ich jetzt von Tag zu Tag grüner. Ach ist das schön ! Da kitzelt dann jeder Sonnenstrahl auf meinen Blättern.
Aber Achtung: Da freuen sich auch so manche böswilligen Gesellen darüber. Die knabbern das frische Grün schneller weg, als es austreiben kann. "Kräuselmilbe" heisst das gefräßige Tierchen, welches sich an meinen Blättern und Gescheinen laben will. Es überwintert in meinem Holz und lauert nur darauf loszulegen. Jetzt gilt es: Frisst diese Milbe, nach Öffnung der Knospen die ersten fünf Blättchen des Triebes, dann kann die Fotosynthese erst gar nicht in Gang kommen und der Trieb verkümmert. Deshalb hat mein Winzer bereits gestern den entsprechenden Pflanzenschutz betrieben. Mit Schwefel und einem ölhaltigen Präparat hat seine Anbauspritze die Wolle der Augen benetzt und verklebt. Die Kräuselmilbe mag das so gar nicht. Sie kommt nicht in die Gänge und erstickt. Die Überlebenden werden dann später von der "Raubmilbe" gefressen, deren Population sich erst in den nächsten Wochen aufbaut. Das Insekt Raubmilbe ist ein Nützling und ein beliebter Helfer des Winzers.
In Jahren mit hohem Schädlingsdruck werden die in den Blättern aktiven Raubmilben auch schon mal eingesammelt und in stark befallene Anlagen ausgesetzt, wo sie dann ihren Job machen.
Bei der Auswahl der notwendigen Pflanzenschutzmittel achtet der Max ganz besonders darauf, dass diese "raubmilbenschonend" sind. Denn diese Insekten mit dem "kriminellen" Namen sorgen während der Vegetationsperiode für das notwendige Gleichgewicht im Weinberg. "Fressen und gefressen werden", fast wie im richtigen Leben also.
Eure "Geierschelle" vom Nieder-Olmer Klosterberg
12. April 2021
Moin zusammen. So langsam kribbelt`s bei mir in den Wurzeln. Trotz der noch kalten Nächte und der ungemütlichen Witterung spüre ich das nahende Frühjahr. Rein äußerlich wäre das derzeit jedoch nur dann sichtbar, wenn mein Winzer ein kleines Stückchen von meiner Biegerebe abschneiden würde. Dann würde ich "bluten". Die von mir in den letzten Tagen hochgepumpte Flüssigkeit würde sofort, tröpfchenweise, an der Schnittfläche austreten.
Ich schone mich einfach noch ein wenig und erzähle Euch von dem jungen Paar, welches gestern bei uns oben am Weinberg flanierte. "Ich freu mich so sehr auf einen schönen Rosé-Wein an einem warmen Abend auf unserer Terrasse", säuselte die Dame ihrem Liebsten ins Ohr. Das hat mich auf die Idee gebracht, Euch mal etwas über die dritte Weinkategorie (neben Rot- und Weißwein) zu erzählen.
Grundsätzlich handelt es sich roséfarbenen Weinen um "Rotwein-Rebsorten, die weiß gekeltert werden".
Weißweine werden ja nach der Lese und vor der alkoholischen Gärung gekeltert und damit von Beerenhäuten, Kernen und Stilgerippe getrennt. Es vergärt also nur der Saft (Most).
Beim Rotwein werden die Beeren an gequetscht und vergären gemeinsam zu Wein. Das dauert, je nach Temperatur, so zehn Tage. Danach wird die Maische abgepresst. Von der Kelter läuft dann Wein, statt Most.
Heute sprechen wir von roten Rebsorten wie Portugieser, Spätburgunder, Dornfelder & Co., die wie Weißweine behandelt und gekeltert werden.
Da gibt es den Klassiker, den "Weißherbst", meist im Zusammenhang mit der Rebsorte Portugieser oder Spätburgunder. In jedem Fall darf bei Nutzung des Begriffes "Weißherbst" immer nur eine einzige Rebsorte eingesetzt werden. Der Winzer erntet seine Trauben und behandelt die wie Weißweintrauben. Er keltert die bereits wenige Stunden nach der Ernte, damit nicht zu viel Farbe von der Beerenhaut in den Most übergeht. Der ausgepresste Most vergärt anschließend im Tank zu Wein. Hierfür eignen sich besonders die Rebsorten Spätburgunder und Portugieser. Deren Farbe ist relativ hell.
Beim "Rosé" hat der Winzer mehr Möglichkeiten Einfluss auf Farbe und Geschmack zu nehmen. Hier darf er mit mehreren, unterschiedlichen Rebsorten arbeiten. Eine "Cuvée", ein Verschnitt verschiedener Rebsorten, macht absolut Sinn. Auch hier werden die Trauben nach einer kurzen "Maischestandzeit" gekeltert, bevor die alkoholische Gärung einsetzt. Dornfelder und Spätburgunder, beide mit unterschiedlichen Geschmacksspektren und Traubenfarben eignen sich ganz besonders. Da kommt bei der Weinfarbe auch schon mal ein knalliges "pink" raus.
Recht neu bei uns in Deutschland hat der "Blanc de Noir" seinen Siegeszug angetreten. "Weißer vom Schwarzen", heißt das wörtlich übersetzt. Also ein Weißwein aus Rotweintrauben. Der muss auch tatsächlich aussehen wie ein Weißwein und muss deutlich heller sein als "Weißherbst" oder "Rosé". Das schafft der Winzer, indem er seine Rotweintrauben sehr früh erntet und direkt nach der Ernte abpresst. Ohne "Maischestandzeit". Denn je länger mit dem Keltern gewartet wird, desto mehr Farbe geben die Beerenhäute an den Most ab.
Eine Ausnahme ist der "Rotling". Hier handelt es sich um einen Verschnitt von Rotwein- und Weißweintrauben, die vor der Vergärung zusammengeführt werden müssen. Die Farbanforderung für das Endprodukt lautet "blass- bis hellrot". Auch hier kann man mit den Anteilen Rot- und Weißweinen "spielen" und auch schon mal eine ganz dunkle Traube, wie zum Beispiel den Regent verwenden.
Ehrlich gesagt fühle ich -als Grauburgunder-Rebe- mich ein wenig seelenverwandt mit dem Blanc de Noir. Meine Beerenhaut ist ja auch deutlich dunkler als bei anderen Weißweinen und deshalb ähnelt meine Weinfarbe dieser Kategorie.
In jeden Fall kommt jetzt bald die warme Jahreszeit, in der diese Weine ganz besonders gut schmecken, nicht nur dem jungen Paar von gestern.
Eure "Geierschelle" vom Nieder-Olmer Klosterberg
29. März 2021
Schöne Grüße vom Klosterberg. Ja das ist doch mal ein richtiges Frühjahr mit Sonne, Regen und kühlen Temperaturen in der Nacht. Auch wenn von heute bis Mittwoch der Frühsommer kurz vorbeischaut, kann ich weiterhin entspannt bleiben, da der Boden noch recht kühl ist. Bis mich die warmen Frühjahrs-Sonnenstrahlen so richtig wachküssen, das dauert noch eine Weile. Noch immer ist kein sichtbares Leben in meinem Weinstock. Es wird auch noch etwas dauern, bis Ihr das erste, frische Grün an meinem knorrigen Rebengerüst seht. Gut Ding braucht eben Weile.
So lange kann ich mich umschauen, was so links und rechts von meinem Weinberg so passiert, denn mein Winzer, der Max, ist natürlich immer aktiv. Derzeit pflanzt er einen neuen Weinberg. Den wird er mit Riesling-Reben bepflanzen. Dem "König der Reben", wie meine Reb-Kollegen -immer etwas arrogant- von sich behaupten. Ja, zugegeben, die machen ihren Job schon gut. Rund 23 % der deutschen Rebfläche sind Riesling-Weinberge. Mehr als jede Dritte Riesling-Rebe weltweit, wächst in Deutschland. Seit mehr als 600 Jahren ist die Pflanze kultiviert. Die fühlt sich eben richtig wohl bei uns. Leichte bis mittelschwere Böden und relativ kühles Klima mögen die Kollegen. Am Ende gibt das natürlich dann auch Top-Trauben.
Die Entscheidung für die Anlage des Weinbergs hat der Max übrigens schon vor rund eineinhalb Jahren getroffen, beziehungsweise treffen müssen. So lange braucht die "Rebschule", bis aus der Veredlung von "Edelreissern" und "Unterlage" eine eigenständige Pflanze geworden ist.
Und jetzt, im Frühjahr, wenn wir "alten" Reben noch im Winterschlaf sind und dem Winzer keine Arbeit mehr machen, dann werden die neuen Weinberge angelegt. Los geht´s zunächst im Büro mit: in Deutschland natürlich mit einem Antrag! Von wegen drauflosbuddeln...
Der Acker muss für die Reben vorbereitet werden. Dazu spatet der Winzer seine Parzelle mit einer Maschine tief um und lockert damit die Erde für uns Reben. Das ist toll, denn aufgrund der zunehmenden Trockenheit gehen wir mit unseren Wurzeln einige Meter unter die Erde bei der Suche nach Wasser und Mineralien.
Dann kommt das "Auszeilen". Mein Winzer muss genau planen, wie viele Reihen er auf seine Parzelle bekommt und muss dabei die Vorschriften hinsichtlich des Abstandes zu Nachbarn und Feldwegen einhalten. Diese Daten werden in den PC der Pflanzmaschine eingegeben. Per GPS navigiert die Maschine über den Acker, zieht eine tiefe Furche und setzt im Abstand von ca. einem Meter jeweils eine junge Rebe in den Boden. Rund zweieinhalb Quadratmeter Platz hat dann eine Pflanze in ihrem ungefähr 25 Jahre dauernden "Rebenleben".
Dann siehst Du erstmal nichts. Außer den Fahrspuren der Maschine. Denn der allergrößte Anteil der Rebe ist im Boden und mit bloßem Auge ist nur die Veredlungsstelle erkennbar. Jetzt hofft der Winzer auf die preiswerteste Lösung: auf einen schönen Regenguss. Wenn der nicht innerhalb weniger Wochen kommt, muss mit einem Wasserfass nachgeholfen werden. Jetzt kann die Rebe erstmal wachsen. Ein dünner Metallstab hilft dabei. Die wachsende Rebe ist recht filigran und wird immer wieder an den Stab angebunden, damit da nichts abbricht.
Nun ist der Drahtrahmen an der Reihe. Die Stickel (Pfosten) können aus Holz oder aus Metall sein. Daran werden die Drähte befestigt und gespannt. Die jungen Triebe können dann später in den Drahtrahmen eingeheftet werden, damit sie bei Wind nicht abbrechen.
Um die ganze Anlage im sprichwörtlichen Sinne abzurunden, zäunt der Winzer den neuen Weinberg ein. Für das Wild sind nämlich die frischen Austriebe der Rebe eine echte Delikatesse...
Manche Winzer nutzen auch "Getränkepackungen" und stülpen die über uns um uns vor Wildfraß zu schützen. Sieht natürlich nicht ganz so toll aus, wenn Tausende von bunten Getränkepackungen in der Natur angebracht sind und gerne vom Wind auch mal losgerissen werden.
Mir, als Rebe, gefällt das gar nicht, weil ich bei starker Sonne darunter mächtig schwitze.... aber mich fragt ja keiner.
So das war´s für heute, würde mich freuen, wenn wir uns mal sehen, oben am Klosterberg, vielleicht bei einem Spaziergang bei schönem Frühlingswetter und einem herrlichen Blick auf Nieder-Olm.
Eure "Geierschelle" vom Nieder-Olmer Klosterberg
15. März 2021
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Es hat ganz schön gepustet in den letzten Tagen hier oben bei uns auf dem Berg. Kühl war‘s und Regen gab es auch wieder mal. Ein Wetter ganz nach meinem Geschmack. Das zögert die Vegetation noch etwas hinaus. Leider hatte ich in den letzten beiden Wochen auch keine Besucher mehr im Weinberg. Die Winterarbeiten sind verrichtet und mein Winzer konzentrierte sich deshalb ganz auf die Abfüllung der Weine aus dem Vorjahr.
Letzte Woche war die Abfüllung meiner Arbeit des Jahres 2020 dran. Der Grauburgunder vom Klosterberg kam in die Flasche. Dazu kam ein "mobiler Lohnabfüller" in die Bischofsmühle. Sozusagen eine Weinkellerei auf Rädern. Vier Tage lang wurden die 2020er Weine auf Flaschen gezogen. Direkt vom Tank in die Flaschen.
Vorher mussten natürlich auch alle "Trockenmaterialien" beschafft werden. Flaschen, Verschlüsse, Kartonagen und -ganz wichtig- die Etiketten. Hier muss alles ganz genau stimmen. Angaben wie Flascheninhalt, die Alkoholangabe, die Herkunft und die Qualitätsstufe müssen unbedingt aufs Etikett.
Für die Behörden ist übrigens das kleine Rückenetikett das "Hauptetikett" worauf alle -weingesetzlichen Vorgaben- aufgeführt werden müssen.
Zwingend vorgeschrieben ist die "amtliche Prüfungsnummer", die jeder Qualitätswein tragen muss. Eine Expertenkommission bei der Landwirtschaftskammer prüft die Weinsensorik und vergibt -wenn der Wein die Kriterien erfüllt- diese Nummer. Für sogenannte "Landweine" gilt das nicht. Hier steht einzig der Winzer für die abgefüllte Qualität gerade.
Der Hinweis "enthält Sulfite" (Schwefel) muss seit einigen Jahren auf allen Weinetiketten angeführt werden, damit Allergiker informiert sind. Dabei wird Schwefel zur Konservierung von Wein seit rund 5000 Jahren eingesetzt. Bei Angaben wie Jahrgang, Rebsorte oder die Geschmacksrichtung (trocken, halbtrocken oder lieblich) ist es dem Winzer überlassen, diese auf das Etikett zu drucken.
Ganz wichtig für Euch Verbraucher ist die sogenannte "Abfüllerkennzeichnung". Hat der Winzer ausschließlich Trauben aus seinem eigenen Weinberg geerntet und ausgebaut, dann darf er die Bezeichnungen "Gutsabfüllung" oder "Erzeugerabfüllung" verwenden.
Finden sich dagegen die Bezeichnungen "Abfüller", "abgefüllt für", "abgefüllt durch" auf dem Rückenetikett, dann ist das ein Hinweis darauf, dass der Wein von anderen Winzern oder einer Weinkellerei zugekauft wurde. Oft handelt es sich hier um Weine von großen Kellereien, die in den Supermärkten angeboten werden. Eine Rückverfolgung auf den Winzer, der den Wein erzeugt hat, ist da in der Regel nicht mehr möglich.
So, das war´s für heute. Ich wünsche Euch viel Spaß beim Probieren des neuen Jahrgangs der Bischofsmühle.
Eure "Geierschelle" vom Nieder-Olmer Klosterberg
01. März 2021
Heute ist meteorologischer Frühlingsanfang. Dabei empfand ich die vergangene Woche schon als kleinen Vor-Sommer. Zwanzig Grad im Februar, das haben wir hier oben am Klosterberg noch nicht erlebt. Ich gönne Euch Menschen dieses schöne Wetter, als Weinrebe macht mir das jedoch große Sorgen. Ich bin ja noch im Winterschlaf und möchte den auch noch ein paar Wochen genießen. Wenn das Frühjahr ins Land zieht, muss ich ausgeruht sein, denn dann stehen wieder stressige Monate an. Gerade jetzt sammle ich tief unten in der Ernte Kraft für die neue Saison.
Deshalb hoffe ich, dass ich weiterhin Winterfeuchtigkeit abbekomme. Gerne auch Schnee. Denn unter einer Schneedecke bin ich etwas geschützt und vertrage auch strengen und späten Frost viel besser. Viel Regen hilft auch etwas gegen die Fortpflanzung der unzähligen Feldmäuse, die sich aufgrund der zurückliegenden, warmen Winter um mich herumtummeln und meine feinen Wurzeln anknabbern. Das ist nicht wirklich lustig für mich! Gerade über die feinen Wurzeln nehme ich Nährstoffe und Spurenelemente auf, die ich dringend zu meiner Versorgung brauche. So freue ich mich auch über die vielen Störche, Reiher und Bussarde, die sich in den letzten Jahren wieder in unserer Region angesiedelt haben und die Population der Nager auf natürlichem Weg in Schach halten.
Maria war heute bei mir im T-Shirt! Und das im Februar! Sie hat meine Fruchtrebe, die seit dem Rebschnitt senkrecht in die Luft zeigte, horizontal an den Drahtrahmen gebogen und dort mit einem kleinen Draht befestigt. Puh, alles gut gegangen. Jetzt fühle ich mich deutlich besser. Habe doch immer etwas Angst, dass die Rute beim Biegen abbricht, das wäre eine Katastrophe für mich. Weil ich ja meine ganze Kraft und Feuchtigkeit in die Wurzeln zurückgezogen habe, ist meine Fruchtrebe nicht dehnbar, sondern starr und neigt beim Biegen zum Abbrechen. Schauriger Gedanke!
Jetzt schmiegt sich die Rute im Flachbogen an den Draht. Mit einsetzender Vegetation entsteht ein Saftstau und wenn der Austrieb erfolgt, wachsen die neuen Triebe dann geordnet in den Drahtrahmen. Das stabilisiert die Rebe und schützt die Triebe bei Wind vor dem Abbrechen. Zudem sieht das noch super-ordentlich aus, was wiederum den Max sehr freut. Als Alternative dazu gibt es den Rundbogen, bei dem die Rebe eben nicht ganz so stark gebogen wird. Aber das ist eine "Glaubensfrage", die jeder Winzer für sich entscheidet.
Wenn die Vegetation in einigen Wochen beginnt, merkt ihr Menschen das daran, dass meine Augen "bluten". Das heißt, meine Fruchtrebe wird wieder durchblutet. An den Augen drückt sich dann der ein oder andere Wassertropfen raus. Das ist der Startschuss für die Vegetationsperiode, bevor der eigentliche Austrieb beginnt.
Eure "Geierschelle" vom Nieder-Olmer Klosterberg
15. Februar 2021
Nicht mal seinen Winterschlaf kann man als Weinrebe heutzutage ungestört halten. Schon vor Sonnenaufgang habe ich Max mit seinem Traktor, gehört, als er am heutigen "Rosenmontag" den Klosterberg hochgerattert ist. Mit dem Anbauhäcksler hat er die Reben zerkleinert, die er vorletzte Woche abgeschnitten und zwischen die Rebzeilen gelegt hatte. Das macht er immer dann, wenn der Boden steinhart gefroren ist. Dann wird die Muttererde, in der ich meine Wurzeln habe, durch die breiten Traktorreifen nicht unnötig verdichtet. Künftige Niederschläge können dadurch besser in den Boden einsickern.
Da kam schon etwas Wehmut auf, als die Reben kleingeschreddert wurden. Immerhin habe ich im letzten Sommer Unmengen von Wasser aus dem Boden geholt und in meine Rebenbügel geleitet. Damit habe ich Blätter und Trauben versorgt. Trotz der Hitze im Sommer hatte ich es bis weit in den Herbst hinein geschafft, mich fit und grün zu halten und meine Früchte zu ernähren. Mein Chef der Winzermeister war mächtig stolz auf mich. Das Ergebnis waren viele gesunde und süße Beeren. Das Produkt daraus, der "2020er Grauburgunder" lagert derzeit noch auf der Feinhefe in seinem Keller. Anfang März wird der Wein in Flaschen abgefüllt.
Unsere Familie, die Grauburgunders, sind derzeit bei Euch Menschen ganz besonders beliebt. Man mag uns, weil die Weine aus unseren Trauben eine moderate Säure und feine Fruchtnoten mitbringen sowie vollmundig und harmonisch daherkommen. In Italien nennt man uns "Pinot Grigio" und in Süddeutschland sagt man "Ruländer" zu uns.
Zugegeben: Wir sind schon etwas eitel. Unsere Trauben sind kleiner und unsere Produktionsmengen etwas geringer als beispielsweise bei den Müller-Thurgaus oder bei unseren roten Freunden, den Dornfelders. Dafür sind unsere Früchte auch etwas süßer und gehaltvoller sagt Max immer. Der kann mit seinem "Refraktometer" bei der Weinlese die "Öchlegrade" messen, die den Zuckerwert des Traubensaftes angeben. "Spätlese" oder "Auslese" murmelt mein Winzer dann immer zufrieden, wenn die Früchte besonders süss und gesund sind. Von den anderen Weissweinsorten unterscheidet uns übrigens auch die Farbe der Beeren, die nicht grünlich, sondern bräunlich gefärbt sind, so wie auch bei den Gewürztraminer´s.
Wettermäßig war´s in dieser Woche bei uns recht winterlich. Nach dem vielen Regen in der letzten Woche, wurde es ganz schön frostig mit rund 10 C unter Null. Dazu liegt eine dünne Schneedecke und seit einigen Tagen scheint auch noch die Sonne. So lässt sich der Winter bei uns am Klosterberg gut aushalten. Was wäre das für Euch Menschen für ein herrliches Fastnachts-Wetter geworden, aber Ihr habt ja leider noch immer Probleme mit diesem Covid 19. Auch wir Reben haben Probleme mit Viren, aber davon ein andermal.
Eure "Geierschelle" vom Nieder-Olmer Klosterberg
01. Februar 2021
So, heute hat´s mich kalt erwischt. Max, der Winzermeister war hier. Mit seiner Elektro-Rebenschere hat er die meisten meiner Reben abgeschnitten.
Ich kam mir vor wie ein Schaf, dem man die Wolle abrasiert. Dabei hat der das ganz clever gemacht. Der hat sich die kräftigste Rebe rausgesucht, die im letzten Sommer gewachsen ist und die im Herbst Trauben getragen hat. Nur aus solchen Frucht-Trieben wachsen nämlich im Frühjahr wieder Triebe, an denen später dann wieder neue Fruchtansätze erscheinen.
Diese einzige Rebe hat er soweit gekürzt, dass gerade mal so acht bis zehn Knospen, mein Winzer sagt "Augen" dazu, verbleiben. Aus diesen Augen werden im Frühjahr die Fruchtruten austreiben, an dem dann die "Gescheine" -die Vorboten der Trauben- wachsen werden.
Alle anderen Reben hat der einfach abgeschnitten, aus dem Drahtrahmen entfernt und zwischen die Rebzeilen gelegt. Wenn der alle meine Nachbarn im Weinberg auch beschnitten hat, wird er mit seinem Traktor und einem Anbau-Häcksler das Holz zerkleinern. Würmern und sonstige Tierchen in der Erde sorgen dann dafür, dass daraus wertvoller Humus entsteht. Den liebe ich besonders, weil er mir die Kraft gibt, mich in der Vegetationszeit ausreichend zu ernähren.
So stehe ich jetzt ziemlich nackt in meinem Weinberg. Man sieht nur meinen dicken Rebstock und die einzig verbliebene Rebe, auf die ich jetzt höllisch aufpassen muss. In der letzten Woche war´s nämlich recht windig. Wenn diese Rebe abbricht, dann war´s dass für mich mit der Traubenerzeugung für den Herbst 2021. Dann kann ich im Frühjahr zwar wieder jede Menge Reben und Blätter erzeugen, aber keine Früchte, weil die eben nur auf der Fruchtrebe des letzten Jahres wachsen. Und nur aus den Früchten kann mein Winzer ja seinen Wein keltern.
Sobald es etwas milder wird bei uns am Klosterberg, wird wohl Max`s Mutter Maria mit "dem Biegen" beginnen und die Fruchtrebe an dem Drahtrahmen anbinden. Dann kann so schnell nichts mehr abbrechen. Bis bald.
Eure "Geierschelle" vom Nieder-Olmer Klosterberg
18. Januar 2021
Hallo zusammen, ich hoffe Ihr seid gut in das neue Jahr gekommen? Mir geht es prima, wie Ihr auf dem Bild sehen könnt. Kälte und Wind haben meine Blätter im November letzten Jahres mitgenommen. Sah auch -ehrlich gesagt- nach der Weinlese nicht mehr ganz so gut aus. Viele Blätter waren abgeknickt und braun. So bleibt mir derzeit noch das ausgereifte, braune Holz, welches im Sommer letzten Jahres gewachsen ist.
Während ihr Menschen den Dezember wegen der Regenfälle nicht so spannend fandet, war ich total begeistert: Endlich mal wieder etwas Feuchtigkeit an den Füssen. Immerhin reichen meine Wurzeln ja einige Meter ins Erdreich, zumindest da wo ich wachse am Nieder-Olmer Klosterberg, einem riesigen Kalksteinriff. Vor einigen Millionen Jahren war hier noch ein Ur-Meer, unzählige kleine Muscheln liegen hier noch überall rum. Zugegeben, augenblicklich brauche ich den Regen eigentlich nicht unbedingt. Ich habe ja mein Wachstum nach dem Herbst eingestellt und bin gerade im Winterschlaf. Erst im April kommt wieder so richtiges Leben in meine Leitungsbahnen. Aber der Boden auf dem ich wachse kann diese Feuchtigkeit super speichern und für mich bis ins Frühjahr aufheben. Der Klimawandel zeigt uns ja, dass die Niederschläge in unserem Rheinhessen immer weniger werden. So kann ich mich ganz gut einteilen und komme besser über die trockenen Monate.
Anfang der Woche war`s übrigens ganz schön frisch. Sieben Grad unter dem Gefrierpunkt machen mir allerdings nichts aus. So bis -15 C habe ich im Winter gar keine Probleme. Nur vor den Mai-Frösten habe ich panische Angst. Da reichen auch schon mal 2 Grad unter Null und mein bis dahin sichtbares, frisches Grün wird zerstört. Und damit auch die Ernte des Jahres.
Aber jetzt mache ich mir darüber noch keine Gedanken. Habe ja den ganzen Saft in meine Wurzeln gezogen und meine dürren Reben, denen geht es jetzt eh bald an den Kragen.
Wenn ich mich so umschaue, beginnen die Winzer so langsam mit dem Rebschnitt. Vermutlich werde ich auch bald dran sein. Aber davon werde ich Euch dann so in zwei Wochen berichten.
Eure "Geierschelle" vom Nieder-Olmer Klosterberg